Whyte, Jack: Der Himmelsstein (1996, 661 Seiten)
[englisch: The Skystone]
Der historische Roman spielt in Britannien (heute England) zu der Zeit, als sich die römische Herrschaft aufzulösen beginnt. Die Erzählung des Publius Varrus beginnt im Jahre 410, als dieser bereits 67 Jahre alt ist und zunächst aus seinem Leben zu plaudern beginnt, welches er schon früh in der Römischen Armee begann.
Das Buch bietet im Anhang hinsichtlich des Aufbaus des römischen Heeres eine perfekte separate Abhandlung, so dass man einen guten Überblick über die gesellschaftliche Stellung der einzelnen Soldaten und Offiziere bekommt. Auch die Personen, die zur Handlung beitragen sind überschaubar und in jeder Hinsicht nachvollziehbar und glaubwürdig dargestellt. Das ist die Stärke dieses Autors: Er kann wirklich eine fesselnde Geschichte erzählen und so entspannten sich schnell Bilder vor den Augen des geneigten Erdwesens, so dass anzunehmen ist, dass es in kürzester Zeit nicht mehr wissen wird, ob es hier einen Film gesehen oder ein Buch gelesen hat. Gaius Britannicus, Heerführer und schlussendlich doch bester Kumpel von Publius Varrus schafft es trotz seiner Abwesenheit Publius mit seiner Schwester Lucia zusammen zu bringen und ab da hapert es dann auch mit der Geschichte etwas, denn das Familienleben des Publius Varrus gestaltet sich doch recht karg, denn dieser ist wie immer emsig dabei, seinen Geschäften nachzugehen und dieses Geschäft lautet, mehr Himmelssteine im Tal der Drachen zu finden, um perfekte Waffen mit silbernem Glanz schmieden zu können, wie es einst sein Großvater tat.
Eigentlich könnten einfach alle ab einem gewissen Punkt und trotz drohender Verfolgung durch die reiche Familie Seneca glücklich und zufrieden leben, aber das Soldatenleben fordert seinen Tribut, so dass aus dem Soldaten, Schmied und Familienvater Publius Varrus dann doch noch ein schlimmer römischer Folterknecht wird, der zwei weitere Leben von Freunden vernichtet, um seinen Rachegelüsten nachzukommen. Und ausgerechnet dies macht er im Geheimen, ohne davon Gaius Britannicus oder seiner Frau Lucia nur ein Sterbenswörtchen zu sagen. Wie immer behält er die Greueltat für sich und fortan lebten sie trotzdem glücklich und zufrieden im Einklang mit ihren neuen keltischen Freunden als die ersten echten Briten im Westen Englands.
Der Schluss des Buches ist in Erdwesenschen Augen tatsächlich sein Schwachpunkt und wenig glaubwürdig. Überhaupt ist Publius Varrus nicht die wundervolle Hauptperson des Romans, die aus ihm hätte werden können. Aber womöglich macht ja auch genau das den Reiz der Geschichte aus, dass sein wahrer Charakter bis ganz zum Ende der Geschichte weiter im Nebel vergangener Jahrhunderte verborgen bleibt. Der Charakter eines ehemaligen Elitesoldaten, der in der Schlacht zum Krüppel wird und sichtlich darunter leidet und mit einer 14 Jahre jüngeren Frau verheiratet ist, die einen im wahrsten Sinne des Wortes steinreichen Bruder hat, der echte Visionen einer zukünftigen Gesellschaft entwerfen kann und damit erneut unter Beweis stellt, welches Format er bereits als Feldherr inne hatte.
Aber es besteht Hoffnung! Denn dieses Buch ist nur der erste Band der „Camolud-Chronik, die den historischen Spuren von König Artus nachgeht“, wie es der Hinweis zum 1940 geborenen und in Schottland aufgewachsenen Jack Whyte, einem Highschool-Lehrer für englische Literatur, sagt. Mag sein, dass sich doch noch genau das aus der Geschichte entwickelt, was das Erdwesen im Sinn hatte, als es voller Unverständnis auf die römische Skuptur aus Himmelsstein-Eisen in Gaius Britannicus Wohnzimmer blickte…