Palliser, Charles: Die schwarze Kathedrale (1999, 477 Seiten)
Dies Buch ist harter Tobak! Dem geneigten Lesenden sei angeraten, am besten beim Lesen ein Verzeichnis der genannten Personen (Register existiert im Anhang) und ihren jeweiligen Beziehungen zueinander (!) zu führen.
Das Erdwesen fürchtet, ihr sind viele Inhalte verborgen geblieben, weil sie kein besonders großes Talent dazu hat, sich Namen, Positionen und Verbindungen zu merken, die zunächst einmal bedeutungslos zu sein scheinen. Hammer!
Das Werk nennt sich „Roman“, dabei ist das vollständig irreführend. Aufzuklären sind mindestens zwei Kriminalfälle mit Toten, die allerdings in unterschiedlichen Jahrhunderten spielen. Und da sich der Historiker, ein Herr Courtine wegen des uralten Kriminalfalls auf den Weg macht, um einen alten Freund zu besuchen, der in der Nähe der schwarzen Kathedrale wohnt, die diesen Kriminalfall beherbergt, kann er nicht ahnen, dass er auch noch mitten in einen ganz aktuellen Kriminalfall gerät, aufgrund dessen er seinen Bericht anfertigt, denn es wurde Unrecht begangen – aber wo und an wem?
Das Buch ist handwerklich sehr gut gemacht, aber auch sehr anspruchsvoll, was die Zusammenhänge betrifft. Das hatte das Erdwesen komplett unterschätzt, auch wenn man gewarnt sein sollte, wenn der Autor Moderne Literatur und Creative Writing an Universitäten in den USA unterrichtet und selbst in London wohnt.
Hatte sich das Erdwesen also mühevoll durch die gewundene Geschichte geschlängelt, musste sie allen Ernstes ganz am Schluss nochmal nachlesen, wie das ganze eigentlich begonnen hatte und siehe da: nun war auch der Anfang sehr gut zu verstehen!
Charles Palliser ist sehr zu empfehlen, aber beim Lesen darf man nicht mit allzu leichter Kost rechnen, sondern braucht in meinen Augen Papier und Bleistift. Ich kann nicht glauben, dass man sich so eine verworrene Geschichte in der Geschichte der Geschichte (!) auch nur ansatzweise im Kopf zurechtlegen kann. Die Vorab-Aufzeichnung zu diesem Buch würde ich wirklich gerne einmal sehen! – Und das beste ist dann noch, dass er sich genötigt sah, auch noch die Geschichte, die die Hauptfigur im Roman liest und aufgrund dessen sie plötzlich eine Idee hat, wie sie die Fälle noch beäugen kann, auch noch mitliefert. Wow!