Popescu, Petru: Die Vergessenen von Eden (1996, 541 Seiten)
Auch dieses Buch hatte sich das Erdwesen irgendwann aus einem Bücherschrank geangelt. Neben Ayla gibt es nicht viele Bücher, die sich mit anderen Menschenarten aus der grauen Vorzeit beschäftigen. Diese Geschichte spielt in Kenia in der Nähe des Mau-Gebirgszuges sowie im von Aufständen und Revolten durchgeschüttelten Nairobi. Da verwundet es kaum noch, dass der Autor ein Rumäne ist, der seit vielen Jahren in Beverly Hills ansässig ist.
Petru Popescu liefert eine aufwühlende Geschichte, die zwar im Hier und Heute spielt, jedoch den Hauptdarsteller Ken Lauder in eine wahrlich andere Welt entführt. Er und sein Studienkollege, ein Massai aus den höchsten Regierungskreisen Kenias entdecken aus der Luft vorzeitliche Fußspuren und halten diese zunächst für zwei Millionen Jahre alte Fossilien. Beide sind junge Paläontologen, die sich wissenschaftliche unbedingt profilieren wollen und so versuchen sie, das Geheimnis zu entschlüsseln und entdecken tatsächlich weitere Fossilien.
Das Buch ist nicht perfekt, aber offenkundig sehr gut recherchiert. Es besteht im Wesentlichen aus zwei Erzählsträngen. In einem Strang findet Ken Lauder tatsächlich eine Restpopulation von Australopitheciten in den zwei Ausprägungen grazil und robust. Diese sind aus zunächst unerklärlichen Gründen miteinander verfeindet. Aus wissenschaftlicher Sicht ist die grazile Ausprägung der Frühmenschen höher entwickelt als die robuste Ausgabe, die sich noch vorwiegend hangelnd fortbewegen und so typische Bergwaldbewohner sind. Ken Lauder verfolgt zunächst einen jungen Austrapitheciten der grazilen Ausprägung in der Savanne und nach und nach gelingt es ihm mit ihm zu kommunizieren. Tatsächlich ist dies schwierig, da sich der moderne Mensch fast nur noch durch Lautsprache äußert. Zwei Millionen Jahre früher war Sprache jedoch noch nicht entwickelt. Zwar konnten die Menschen damals bereits differenzierte Laute von sich geben, jedoch nicht sprechen. Durch das Leben in der gefährlichen Umgebung gelingt es Ken Lauder sich dennoch aus purer Not, ausreichend zu artikulieren, mit Gebärden und offenbar auch mit einer Art Gedankenübertragung sowie starken emotionalen Ausdrücken des Gesichts und weiteren dazu passenden Gesten. Ob er diese Geschichte seines Lebens überleben wird, ist sehr lange Zeit nicht klar und für die Geschichte womöglich auch gar nicht so wichtig. Denn Ken zeigt mit all seinem Tun, dass er wirklich Wissenschaftler um der Wissenschaft willen ist.
In diesem Strang der Geschichte beweist der Autor eindrucksvoll, wie eine Gesellschaft vor zwei Millionen Jahren funktioniert haben könnte. Es ist wirklich gut durchdacht, sehr ausführlich und überaus facettenreich!
Der andere Erzählstang bringt mehr „action“ in das ganze Buch. Für das Erdwesen war es allerdings etwas zu viel.
In Nairobi geht es hektisch zu: Gerade ist die Regierung noch im Amt, schon gibt es einen Putsch. Diverse Personen in einflussreichen Positionen wechseln von einer Seite auf die andere und dann genauso schnell wieder zurück, wenn es nur irgendeinen persönlichen Vorteil bringt. Die Sache mit den womöglich noch lebenden Frühmenschen ruft dann auch einige besonders unverforene Geldmacher auf den Plan. Die Geschichte ist alles in allem aus unserer europäischen Sicht komplett übertrieben, aber wer weiß das schon genau und Nairobi ist schließlich nicht Bonn!
Dem schillernden weißen Wissenschaftler Cyril Anderson ist jedes Mittel recht, auch weiterhin im Rampenlicht zu stehen. Er bedient sich unverfroren wissenschaftlicher Dokumente Dritter, die dabei den Tod finden. Tatsächlich sind in Afrika Menschenleben nicht wirklich viel wert und in dieser Beziehung hat sich der Wissenschaftler perfekt mit den Gegebenheiten arrangiert und verfolgt begierig sein Ziel, das große Geld mit den entdeckten Australopetheciten zu machen, auch wenn er nur ahnt, dass es sie gibt, es aber nicht sicher weiß. Hinzu kommt seine persönliche Abrechnung mit diesem und jenem und je mehr Menschen er zur Strecke bringt, desto einfacher wird es. Zum Schluss mischt neben dem Nairobischen Polizeichef sogar ein Manager von Shell mit, die plötzlich ihr Faible für die Erretung aussterbender Menschenrassen entdecken. Besser wird die allgemeine Hetzjagd, die in Gang kommt dadurch natürlich nicht. Hinzu kommt auch noch die Flucht der Regierungsfamilie des jungen Paläontologen, der seinen Freund Ken mit allen Mitteln aus der misslichen Situation inmitten der Savanne Dogliani am Randes des Mau zu retten versucht, jedoch auch loyal zu seinem Vater und den Traditionen stehen will.
Man merkt schon. Selbst für ein Buch mit 541 Seiten ist das ganz schön viel, besonders wenn man bei der Leserschaft kein Wissen voraussetzen darf, um der Geschichte hundertprozentig folgen zu können.
So beschränkte sich das Erdwesenn beim Lesen auf den wissenschaftlichen Strang mit Ken Lauder und den Frühmenschen. Tatsächlich hatte sie den ganzen anderen, ebenso eingeführten Chrakteren zu Beginn womöglich nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie verdient hätten. Das führte dazu, dass die Nairobi-Geschichte noch etwas harscher daher kam, als sie tatsächlich vielleicht ist. So kann ich nur mutmaßen, dass der Autor sie absolut durchdacht hat. Nichts geschieht einfach so. Alles ist aufeinander aufgebaut und eine Folge von irgendetwas. Nur leider ist es dermaßen viel, dass das Erdwesen beim Lesen irgendwann abschaltete, denn sie interessierte eigentlich nur noch, was nun aus den Frühmenschen wird und hatte nicht mit diesem zweiten, ebenfalls überaus spannenden Erzählstrang gerechnet.
Zu allem Überflüss darf natürlich auch noch eine herzzerreißende Liebesgeschichte in dem Buch nicht fehlen, denn natürlich hat die Schwester des Massai-Freundes von Ken ein Auge auf ihn geworfen und auch die grazile Anführerin findet Ken keineswegs abstoßend! Stoff für 1500 Seiten in 500 zu pressen, muss man erstmal hin bekommen.
Am Ende wird alles so gut wie es werden kann. Die edle Wissenschaft siegt, Kenia geht nicht unter und wenn sie sich nicht doch noch in die Haare bekommen haben, leben zumindest alle Guten glücklich bis ans Ende aller Tage! Aus dieser Sicht ist es dann doch wieder ein wirklich perfektes Buch.