Victoria Holt: Der Schloßherr (1967, 383 Seiten)
(engl. Original: The King of the Castle)
Nach langer, langer Zeit mal wieder ein Buch von Victora Holt aus der Machart der Romantik-Thriller, die man aber in den 60er Jahren noch nicht so nannte.
Nach den beiden sprachlich wirklich gelungenen Büchern, die das Erdwesen zuvor gelesen hatte, war der Roman von Victoria Holt am Anfang schon eine rechte Zumutung. Erst nach 100 oder mehr Seiten, flaute das Gefühlt endlich etwas ab, hier doch ein recht simples Buch vor Augen zu haben, welches das Lesen kaum lohnt. Die Geschichte an sich wird jedoch stringent erzählt und die Leserin auf so manch falsche Fährte gelockt, die andererseits dann doch wieder nicht wirklich falsch ist. Und natürlich endet letzten Endes alles mit einem echten Happy-Ending.
Die ca. 30-jährige Dallas verlässt nach dem Tod ihre Vaters England, um auf einem französischen Schloss die Arbeiten ihre Vaters als Restauratorin zu übernehmen. Es ist eine ganze Galerie von Bildern wieder auf Vordermann zu bringen und letzlich gilt es auch noch ein Fesko zu entdecken und frei zu legen. Woche um Woche und Monat um Monat vergehen, in der sich Dallas immer mehr im Schloss zu Hause fühlt, als gehöre sie genau dorthin. Doch auf dem Schloss scheint so einiges nicht zu stimmen und der eigenartige Schlossherr selbst, der kaum je anwesend ist, scheint der Auslöser zu sein, wird er doch von jederman – inklusive der eigenen Tochter – verdächtigt, seine eigene Frau vor wenigen Jahren ermordet zu haben. Doch damit allein ist es noch nicht genug, denn natürlich braucht jedes echte Schloß genug Spukgeschichten und einen verschollenen Schatz, den es zu finden gilt.
Auch das Kindermädchen seiner Frau lebt noch auf dem Schloss und kümmert sich inzwischen um die 14 jährige Tochter, die nun ohne Mutter aufwachsen muss, was mehr schlecht als recht klappt und unter anderem dazu führt, dass Dallas in das Oubliez eingesperrt wird. Das ist eine dieser Fallgruben, die zwar ein Loch besitzen, durch das die Gefangenen aus einem höher gelegenen Stochwerk per Stoß hinein gelangen, unten gibt es jedoch keine Tür, um von dort wieder zu entrinnen. Das Erdwesen konnte sich das alles sehr gut vorstellen, denn einst stand sie selbst vor einem solchen Oubliez und die Fallhöhe war einfach nur gigantisch!
Nach und nach entwirrt die toughe Dallas eine recht tragische Familiengeschichte. Schön vorgestellt wird das Schloss mit der reizvollen umgegebenden Landschaft und das angehörige Weingut mitd den Menschen, die dort leben. Letzten Endes ist es eine Darstellung wie aus einem perfekten Märchen, und gerade diese Darstellungen haben Victoria Holt zu der Bekanntheit verholfen, die sie heute hat. Dallas unerschütterliche Glaube an das Gute im Menschen trennt endlich die Bösen von den Guten und bringt sie tatsächlich mit dem Mann ihrer Träume zusammen, während die Welt rund um das Schloss und das Weingut sich unentwegt weiter drehen.
Ein gutes Buch? Ein schlechtes Buch? – Das ist schwer zu sagen. Es ist eben ein Buch von Victoria Holt, jener Autorin, die unter zig Pseudonymen jeweils eigene „Marken“ kreierte, die auch eine sehr unterschiedliche Qualität aufweisen. Kurzweilig bis spannend ist das Buch und handwerklich gut gemacht. Die verschollenen Smaragde ziehen sich hier beispielsweise wie ein grüner Faden durch die komplette Geschichte und verweben das, was hier zu verweben ist. Jedoch ist das Buch auch wie zu erwarten ohne echte Überraschungen. Aber dass Victoria Holt mit diesen Büchern berühmt geworden ist, ist leicht zu verstehen. Ihr Kopf steckte voller unterhaltsamer bis spannender Geschichten, die für die jeweilige Zielgruppe auch gut umgesetzt wurden. Das nämlich ist der eigentliche Schock und auch der Grund, warum das Erdwesen lange Zeit Victoria Holt mit ihren zahlreichen Pseudonymen in den Bücherschränken dieser welt nicht mehr zur Kenntnis nahm. Die Dame konnte wirklich schreiben! Nur eben unter jedem Pseudonym anders und wehe der Leserin, die hier den Überblick verliert.