Vor langer Zeit, nach dem Besuch eines Trödelmarktes an den Weserwiesen der Münchhausen-Stadt hatte das Erdwesen eine ganze Reihe von gebrauchten Sopran-Blockflöten bei eBay erstanden.
Es gibt sehr unterschiedliche Bauweisen von Blockflöten für unterschiedliche Spielansprüche. Blockflöten, die per Beschreibung nichts (mehr) taugen bieten da eine kostengünstige Lösung, unterschiedliche Flöten von unterschiedlichen Herstellern zu testen. Dabei geht natürlich auch so einiges schief.
Eigentlich sollte die Mollenhauer Schulflöte in Birnbaum aus der Grundschule einen Ersatz bekommen. Durch diese Flöte waren die Ansprüche des Erdwesens an Flöten grundsätzlich geprägt, denn diese Flöte klingt noch heute einzigartig und trifft jeden hohen Ton, obwohl sie dafür als typisches Lerninstrument eigentlich nicht explizit gebaut wurde. Was lag also näher, als eine neue hübsch designte „Traumflöte“ von Mollenhauer gebraucht bei eBay zu erwerben? Der Preis war deutlich günstiger als für eine neue Flöte, aber leider erfüllte das Instrument so gar nicht die in es gesetzten Erwartungen. Der Klang war einfach nur stumpf und in der Höhe versagte sie kläglich. Nachdem sich das Erdwesen auch noch ein Exemplar von Hohner (unbrauchbar, aber immerhin sehr gut vom Verkäufer beworben!) und eine im Musikgeschäft von Kunath zugelegt hatte, hatte sie ausreichend Vergleichsmaterial. Die erste Kunath gab schlicht und ergreifend den Geist auf. Sie zersprang einfach gleich beim ersten Spielen und musste umgetauscht werden. Das zweite Exemplar erwies sich dann als deutlich robuster. Eltern kann ich diese Flöte für ihre Sprösslinge nicht empfehlen. Man muss schon arg taube Ohren haben, um bei ihrem zarten Gebrüll nicht irgendwann aus der Haut zu fahren. Sie ist wirklich unglaublich laut für eine Flöte, spielt sich jedoch sehr einfach, so dass mit falschen Tönen kaum zu rechnen ist, was natürlich auch von Vorteil sein kann, je nachdem, welcher Part der Tonleiter gerade dran ist.
Das Erdwesen kaufte für ein ohrschonenderes Üben dann eine no-name Flöte in der Rottenburgh-Bauweise in Ahorn. Die Beschreibung zeigte deutlich, dass der Verkäufer es wirklich ernst meinte mit dem Verkauf. Die Flöte wäre praktisch unspielbar, würde ständig heiser und so bekam das Erdwesen für sagenhafte 2,50 Euro plus Buchversand im offenen Umschlag die Flöte. Tatsächlich war nichts über den Ursprung der Flöte herauszufinden. Vielleicht irgendein Weihnachtsbundle von Aldi, wer weiß? – Tatsache ist aber, dass dies die wirklich rustikalste Flöte ist, die das Erdwesen je besessen hat. Drei Stunden Dauerspielen und mehr können ihr nichts anhaben – soviel zum Thema „heiser“. Manchmal sind abgelagerte und dann sorgsam neu angelernte Flöten wirklich besser als brandneue! Ihre Töne sind durchweg gerade, es entstehen keine Misklänge und sogar in der Höhe wird es nicht zu fiepig, sondern der Klang ist durchweg „robust“. Eine unfassbar gute Flöte (für 2,50 Euro)! Zwar wirklich kein feiner Klang, wie man es bei dieser Bauweise erwarten könnte, aber super für die meisten Irish Folk-Stücke und absolut ohrschonend dazu.
Nachdem also das Erdwesen „ihre“ neue Sopran nur halb gefunden hatte, stapfte sie ins sauberste Musikhaus der Stadt (inzwischen wurde das andere auch geputzt) und erstand eine Moeck Rottenburgh in Grenadill. Ja Leute, dass ist das Holz, was inzwischen durch das CITE-Abkommen für Artenschutz gar nicht mehr verbaut werden darf und wenn, dann eben Deutschland nicht mehr verlassen darf. Fast wie Elfenbein. Aber lasst Euch vergewissern: Durch Flötenbau ist noch kein tropischer Regenwald eingegangen und das wird auch in Zukunft nicht passieren. Die Menge, die für Flöten weltweit draufgeht, ist so verschwindend gering, dass man den Holzinstrumentenbau beim Artenschutzabkommen einfach als Ausnahme vergessen hatte. Sehr zum Leid derer, die den krassen Sound solcher Instrumente mögen und die Langlebigkeit des Holzes schätzen.
Die Moeck Rottenburgh in Grenadill ist eine Soloflöte mit einem extrem lieblich-süßen Klang. Auffällig ist, wie wenig Luft man benötigt, um ihr Töne zu entlocken, die ihrerseits jeweils über ein enormes Klangspektrum verfügen. – Nunja. Keine Ahnung, wie das Experten ausdrücken, aber die Rottenburgh ist mit Sicherheit eine der besten Blockflöten der Welt. Das Erdwesen beherrscht es zwar nicht, aber es ist nicht anzunehmen, dass es noch viele andere Flöten gibt, mit der man in solcher Geschwindigkeit Töne hervorzaubern kann. Einzig und allein der „Ohrenschmaus“ ist recht üppig, so dass zumindest dem Erdwesen gelegentlich die Ohren klingeln, was allerdings sehr vom Raum abhängig ist, in dem der Auftritt erfolgt! Birnbaum oder Ahorn sind da deutlich angenehmer, wenn man es wieder mal übertreibt, weil man unbedingt heute noch die kompletten Notenbücher durchschauen muss. Nun kann man stattdessen natürlich mit einer Tenor üben oder eine Alt entfremden, aber das ist natürlich alles etwas anderes. Also geschah erstmal nichts.
Und dann flatterte er doch noch digital herein: Der Mollenhauer-Newsletter. Vor Corona hatte das Erdwesen immer auf eine Gelegenheit für eine Dienstreise nach Frankfurt/Main gewartet, um kurz in Fulda anzuhalten, ins Gewerbegebiet zu Mollenhauer durch die halbe Stadt zu laufen, um dort im Shop eine ganz normale B-Ware Birnbaum-Sopran zu erstehen. Aber die Dienstreisen fanden stets andernorts statt! Und dann kam der erste, zweite, dritte… Lockdown.
Der Mollenhauer-Newsletter verwies nun auf den Mollenhauer-Shop in dem tatsächlich auch B- und Auslaufware, die nach meinem Wissen bislang nur vor Ort verkauft worden war, angeboten wurde. Kann gut sein, dass – der Shop unterlag ja ganz gewiss dem Lockdown, denn dort kann jeder die Flöten ausgiebig vorm Kauf testen – sich inzwischen so viel Ware angesammelt hatte, dass sie nun doch beschlossen, sie online zu verkaufen. Das Erdwesen ergriff also die Gunst der Stunde und probierte es mit einer neuen Adri’s Traumflöte in Birnbaum als B-Ware. Wenn auch diese Flöte so schlecht im Klang wäre, wie die erste von eBay, dann müssten wirklich alle Rezensionen im Internet gefaked sein und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich ohnehin immer zuletzt.
Gestern traf nun die B-Ware Traumflöte in der Einfachlochausführung für die barocke Griffweise ein. Das verwunderte mich. Ich hatte immer angenommen, barocke Griffwweise bedingt die Doppelloch-Ausführung, aber da hatte ich wohl nicht genau genug hingeschaut, denn Adri’s Traumflöte gibt es sowohl als auch. Mir solls recht sein. Bei keltischer Musik ist ein tiefes Cis wirklich die Ausnahme und es ist ja durchaus möglich (…), ein ganzes Loch nur halb zu schließen. Vor allem, wenn die Löcher so enorm groß sind wie bei dieser Flöte.
Vom äußeren Erscheinungsbild fiel schon auf, dass die Flöte nicht so hübsch war, wie die mit dem furchtbaren Klang von eBay, die das Erdwesen zwischenzeitlich allerdings auch schon wieder verkauft hatte. Gerade preiswertere Flöten können sehr unterschiedlich ausfallen. Klingt ein Exemplar engelsgleich, kann eine andere ein wahrer Brülltüten-Mutant sein. Genau das hat das Erdwesen mal bei einer Waldorf-Edition erlebt… aber das ist ein anderes Thema.
Die Traumflöte zeichnet sich durch den Kontrast zu den zwei dunkel gebeizten Ringen zum Flötenrohr aus und besteht aus nur zwei Teilen. Bei denen sieht man deutlich, dass die irgendwie nicht farblich harmonieren. Während das Tonrohr (ja, wie mag der Fachbegriff lauten??) wirklich „fabrikneu“ und tatsächlich nicht eingeölt, sondern regelrecht stumpf wirkte, machte das Mundstück den Eindruck als sei es schon wer weiß wie lange ohne jede Pflege in Gebrauch. Nun – nicht Jahre, aber doch deutlich benutzt. So klappte dann auch das Zusammenstecken äußerst leicht! Das ist wirklich ungewöhnlich bei einer neuen Flöte. Die beiden Teile waren wirklich keine Einheit. Und dann der Hammer!
Schon beim ersten Ton war klar, dass das ein wirklich fantastisches Mundstück ist, welches offenkundig auch kaum noch eingespielt werden muss. Unglaublich! Beim Spielen vibriert die komplette Flöte, ganz anders als die Rottenburgh mit ihrem zwar zierlich wirkenden aber doch sehr stabil gearbeiten Rumpf und den geradezu winzigen Tonlöchern, die den Klang geradezu „festhält“ und ihn erst danach wohlgeformt in die Welt schickt. Diese Mollenhauer-Flöte hat jetzt tatsächlich das Potential, eine Traumflöte zu werden. Manchmal hat es eben auch Vorteile, wenn Reste zusammengebracht werden, da erst kombiniert doch etwas ziemlich perfektes ergeben.
Das Tonrohr habe ich inzwischen eingefettet. So kann es nachdunkeln und „altern“ bis es zum Mundestück besser passt. Das ist das gute an Holz. Es verändert sich ständig und vom Klang her kann man es trainieren. Training braucht definitiv da hohe a. Da muss sich das Erdwesen konzentriert zusammenreißen, um das anständig hervor zu bringen. Ich denke aber, dass ist bei den meisten Flöten der unteren Preisklassen ganz normal. Hier ist es vielleicht noch etwas schlimmer, weil die Traumflöte mit sehr viel Luft gut auskommt und da wäre es falsch, einfach nur noch kräftiger zu pusten, statt vorher den Ton exakt anzuformen (auch dafür mag es Fachbegriffe geben). Es gilt also fortan, ungewolltes Quietschen zu vermeiden, aber hey Leute – ich trällere damit ja auch erst den zweiten Tag! Der Hund findet allerdings weiterhin die Querflöte mit Palisandermundstück am angenehmsten…