Wulf, Franziska: Die letzten Söhne der Freiheit (1999, 477 Seiten)

Wulf, Franziska: Die letzten Söhne der Freiheit (1999, 477 Seiten)

Der Roman spielt um 100 nach Christus im keltischen Britannien, welches durch die Römer erobert wird. Julius Agricola wird Statthalter von Britannien und damit herrscht für Caledonien eine fürchterliche Zeit, in der viele Menschen ihr Leben verlieren.

Franziska Wulfs Sprache ist im Vergleich zu beiden vorher gelesenen Büchern gerade zu einfach zu lesen und zu verstehen, denn es folgt ein kurzer Satz auf den nächsten. Dabei drückt sie sich klar und verständlich aus, was das Lesen des Buches zusätzlich ungemein beschleunigt. Vor der geneigten Leserin entsteht ein lebendiges Bild der Zeit, welches in der ersten Hälfte des Buches sehr ungewöhnlich, da zumindest dem Erdwesen unbekannt, ist. Die Römer versklaven eine Gruppe von Silurern. Dabei werden jedoch nur ein Teil der Gefangenen zu Sklaven. Diese müssen schwere körperliche Arbeit verrichten, indem Sie in den Steinbrüchen Steine für das neue, römische Eberacum mit seinen imposanten Gebäuden hauen. Dabei ist sichergestellt, dass die Sklaven sich nichts zu schulden kommen lassen, denn alle Befehle, die sie nicht befolgen, werden dazu genutzt Vorwände zu finden, sich an ihren Familien zu vergehen. Also finden sich die Silurer, ein Stamm der Kelten, weitestgehend mit der Situation ab. Sie arbeiten, um ihren Famlien zu Hause eine Exstenz frei von Furcht zu ermöglichen. Die Steuern, die die neuen Bürger Roms zu zahlen haben, sind gigantisch, aber gigantisch ist auch die Art und Weise wie aus dem wilden Keltenland die römisch zivilisierte Welt gemacht wird.

Eines Tages geschieht es, dass im starken Unwetter eine Kutsche mit der Tochter Cornelia des römischen Verwalters von Eburacum einen gefährlichen Unfall hat. Da es fast aussichtslos ist, die unbekannten römischen Insassen noch zu retten bevor die Kutsche endgültig in den Abgrund rutscht, wird einer der keltischen Sklaven abkommandiert, um die Insassen zu retten. Dabei handelt es sich um Duncan, der als Kind bereits in einem Überfall der Römer seine Mutter verloren hat, die vor seinen Augen niedergemetzelt wurde. Als Fürstensohn der Silurer ist er ein wichtige Pfand, um die Silurer in das römische Reich einzubringen. Tatsächlich gelingt es Duncan die Tochter des Verwalters zu retten und in Sicherheit zu bringen, und damit ist es dann auch schon geschehen. Zwischen den beiden ist es Liebe auf den ersten Blick, wenngleich beide wissen, dass sie aussichtslos sein wird.

Während Duncan im Kerker lebt und im Steinbruch schuftet, ersinnt Cornelia vom Sofa aus, wie sie ihn wiedersehen kann. So kommt es für die geneigte Leserin zu einem merkwürdigen Zustand der Akteure im Roman, denn es entsteht eine Liebesbeziehung zwischen Duncan und Cornelia. Wie muss man sich das Sklaventum also im keltischen Britannien vorstellen? Die Sklaven werden zwar zur Arbeit gezwungen und unter strenger Aufsicht gehalten, aber dennoch wird nicht alles bestimmt, was sie tun und lassen müssen, denn Rom will sie immer noch zu Bürgern Roms machen und manch ein Sklave, der seinem Herrn oder seiner Herrin gedient hat, kann dadurch auch die Freiheit erlangen.

Erdwesen denkt, dass die Autorin dies alles sehr gut recherchiert hat und ein durchaus echtes Bild des keltischen Roms zeichnet. Immer wieder wird deutlich, dass es kein plötzliches Annektieren von Land und Menschen ist, sondern ein Jahre andauerndernder Prozess, um die Vormachtstellung Roms zu sichern und das Reich zu vergrößern und zu sichern. Während keltische Sklaven, die sich wiedersetzen durchaus gefoltert und gequält werden, leben andere ein recht normales, friedvolles Leben unter der direkten Herrschaft ihrer z.B. Herrin wie auch Cornelia eine ist. Beschrieben wird auch, dass es immer mehr Menschen gibt, die Zweifel daran bekommen, ob die römische Zivilisation wirklich so fortschrittlich ist, als sie die Kelten und ihre Moral besser kennen lernen. Auf der anderen Seite gibt es auch genug Kelten, die die Vorteile des römischen Lebens erkennen, deshalb adaptieren und sich perfekt in das System einfügen und beispielsweise selbst zu römischen Legionären werden, um dann eine militärische Karriere zu machen.

Duncan und Cornelia stehen stellvertretend für diese vielen Menschen, die irgendwo zwischen Keltentum und Rom empfinden.

Im Verlaufe der Geschichte kommt es zu Machtspielen und Intrigen, die meisten zu Lasten des armen Fürstensohns gehen, obwohl ihm im Verlaufe der Beziehung zu Cornelia immer mehr Freiheiten gestattet werden. Er versucht seine gewonnenen Freiheiten für seine Mitgefangenen einzusetzen, während Cornelia ihren Einfluss geltend macht, um die Ungerechtigkeiten gegenüber den Kelten zu lindern, weil sie nach und nach erkennen muss, dass Römer nicht unbedingt weniger barbarisch sind als Kelten (z.B. Gladiatorenkämpfe im neu errichteten Circus). Gleichwohl begreift Duncan, wie „römisch“ er bereits durch die erteilten Freiheiten geworden ist und wie weniger „keltisch“ er sich dadurch verhält. Es ist ein Balanceakt.

Die Situation spitzt sich zu, als Duncan vergiftet werden soll – auch um Cornelia erfolgreich mit einem aufstrebenden Römer verheiraten zu können! – und stattdessen jedoch Cornelias Dienerin zu Tode kommt. Hals über Kopf, statt wie vorgesehen geplant und abgestimmt, verlässt Duncan mit einem in der Gefangenschaft kennen gelernten Freund, der Kunstschmied war, die Stadt. Dies gelingt nur, weil ein alter römischer Feldherr ihm und Cornelia zur Seite steht.

Es beginnt eine furchtbare Flucht zu Fuß durch das eisige Nordbritannien (Caledonien), die tatsächlich gelingt. Obwohl Duncan bei einem neuen Fürstenstamm aufgenommen wird, ist er jedoch einsam ohne Cornelia. Diese ist jedoch weiterhin auf der Suche nach einer verträglichen Lösung, Duncan wieder zu sehen. Abermals hilft der römische Feldherr uneigennützig dem verhinderten Liebespaar. Tatsächlich finden so Cornelia und Duncan wieder zu einander. Dabei überrascht die Autorin gelegentlich mit den überaus realistischen Zeitspannen, in denen dies alles geschieht, denn die Flucht und die Bedrohung vor einem römischen Angriff ziehen sich über Jahre. Aus Cornelia wird fast eine echte Keltin und auch die Kinder der beiden erhalten keltische Namen.

Aber auch die Kelten sind sich nicht alle Grün und es kommt zu einem schwerwiegenden Verrat von keltischer Seite, die abertausenden von Kelten und römischen Leginären das Leben kostet. Die Römer siegen in der Schlacht und haben dennoch verloren, denn der Kaiser hat endlich davon erfahren, dass Julius Agricola, Statthalter von Britannien diese kostspieligen Feldzüge in einem Land ohne Reichtum für Rom auf eigene Faust führt. Es wird die Order erlassen, sich zurück zu ziehen und das so hart umkämpfte Nordbritannien so kostengünstig wie möglich zu befrieden. Zwar wird er nicht explizit genannt, aber hierbei dürfte es sich wohl um den bekannten Hadrians Wall handeln, auf dem auch das Erdwesen schon wandelte. Caledonien uns seine Söhne (und neu gewonnen Töchter) bahalten damit endgültig seine Freiheit.

Franziska Wulfs Buch ist jetzt vielleicht nicht das beste Buch, welches jemals geschrieben wurde, aber es ist gut geschrieben und bietet einen erstaunlichen Blick auf die damalige Zeit. Die Geschichte ist hochgradig logisch aufgebaut und gut zu lesen. Dabei stehen alle Details in recht gutem Einklang. Das einzige, was komplett unrealistisch ist, ist die Tatsache, wieviel Ungemach der arme Duncan im Laufe des Romans einstecken muss. Dabei wäre ein echter Duncan lange gestorben und der geneigten Leserin wären die Grausamkeiten Roms auch klar geworden, wenn es nicht ganz so viele Peitschenhiebe gegeben hätte und einen vielleicht nicht ganz so kalten Winter. Das ist aber auch der einzige Kritikpunkt, den das Erdwesen an diesem Buch hat. An zwei oder drei Stellen beschlich sie ferner der Eindruck, dass die Autorin zwar schreib- und geschichtentechnisch gut veranlagt ist, jedoch nicht unbedingt wirklich selbst viel praktische Erfahrungen vorweisen kann. Sonst wären einige, wenige und nicht besonders wichige Passagen nachvollziehbarer beschrieben, aber das wird wohl kaum irgenjemandem beim Lesen auffallen, denn alles in allem leben wir heute alle in einer recht „unpraktischen“ Welt, in der mehr von links nach rechts und von oben nach unten gewischt wird als in der z. B. mal ein altes Haus wieder in Schuss gebracht wird.

Über Erdwesen

Erdwesen ist ein Erdwesen! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Erdwesen schreibt aber auch noch in einer Reihe von anderen Foren und es gibt auch Foren, in denen sie sich so unbeliebt gemacht hat, dass sie dort heute besser nicht mehr schreibt.
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