D.G. Compton: MERS (Nomansland) (430 Seiten, 1993)

D.G. Compton: MERS (430 Seiten, 1993). Originaltitel: Nomansland

Lange bevor die Welt von SARS, MERS und COVID erfuhr, schrieb ein Brite, der offenbar seit längerem in den Vereinigten Staaten wohnt, ein Buch von MERS. Das Male Embryo Rejection Syndrom, welches von einem Virus ausgelöst wird.

Die geneigte Leserin findet sich wieder in einer Welt, in der seit 40 Jahren ausschließlich Mädchen geboren werden. Das Thema an sich ist so interessant, dass es sich eigentlich lohnt, sich dieses Buches anzunehmen. Gleichzeitig enthält das Buch allerdings auch derart viele Absurditäten und Entgleisungen, sprachliche Fehler, deren Ursprung eventuell auch in einer stilistisch mangelhaft angepassten Übersetzung liegen könnten, dass man schon wirklich ein „dickes Fell“ beim Lesen braucht um durchzuhalten.

Beschrieben wird der Werdegang des Geschwisterpaars Harriet, eine angesehene Wissenschaftlerin und Daniel, ihrem Bruder, der eine Karriere bei der Armee anstrebt, aber in Wahrheit ein Schwerverbrecher ist. Natürlich kann man viele Ungereimtheiten als Autor einfach auf das Genre „Science Fiction“ schieben, aber nichts desto trotz muss auch ein Science Fiction Roman logisch geschrieben sein und da hapert es hier gewaltig.

Das Erdwesen ist nicht dahinter gekommen, warum so vieles nicht passt. Hinter D.G. Compton steckt ein männlicher Autor, dessen Buch von einem männlichen Übersetzer ins Deutsche übertragen wurde. Das Buch strotzt vor Gewalttätigkeiten und vor Gewalt gegenüber Frauen. Ich denke aber ehrlich gesagt nicht, dass dem Autor das beim Schreiben überhaupt aufgefallen ist. Es ist wohl einfach die Welt, in der er ohnehin lebt. Vielleicht ist es sein persönlicher Hass auf die Menschheit.

Stilistisch gliedert sich das Buch in Kapitel, die jeweils in unterschiedlichen Jahren der „40 Jahre nach dem Bevölkerungsrückgang“ spielen. Der Haupthandlungsstrang spielt im Hier und Jetzt, wobei Harriet kurz davor steht, einen Impfstoff zu entwickeln, der das ungwollte Abgehen von embrionalen Föten im Mutteleib verhindert und tatsächlich testet sie ihren Impfstoff als erstes an sich selbst, sagt dies aber niemandem. Aus der Beschreibung ihres Bruders Daniel wird man nicht so recht schlau und besonders in den Kapiteln, die zeitlich früher spielen, werden Episoden aus Harriets und Daniels Kindheit und Jugend aufgegriffen, um Daniel zu beschreiben. So laufen die Zeitstränge irgendwann beide in Richtung Hier und Heute und verflechten sich im letzten Kapitel auf gelungene Art und Weise. 40 Jahre nach dem Auftreten des Virus hat Harriet es geschafft, einen funktionierenden Impfstoff zu entwickeln. Ihr Bruder, inzwischen zu einem Frauen hassenden Massenmörder avanciert, erleidet den verdienten Tod und Harriets Familie ist dennoch gerettet. Ebenso wie die Welt, denn zeitgleich hat sich das Virus anscheinend selbst eliminiert und nach und nach kommen wieder Jungen auf die Welt.

Es ist schwer in Worte zu fassen, was alles an dem Buch nicht stimmt. Merkwürdig ist nur, dass Männer, obwohl das Verhältnis Frauen / Männer mittlerweile deutlich zu 200 Frauen auf einen Mann verändert ist, immer noch Gewalt gegenüber Frauen zeigen und sich damit sogar behaupten können. Frauen haben beispielsweise sogar Angst, auf die Straße zu gehen. Allerdings ist es schwierig „ordentliche“ Soldaten zu rekrutieren. Vor wenigen Tagen musste tatsächlich der weltweit letzte aktiv geführte Krieg in Ermangelung von Soldaten eingestellt werden. Männer sind immer noch in Machtpositionen und verteidigen diese so gut, dass Frauen immer noch benachteiligt sind. Dazu kommt ein anderer „Fehler“ im Buch, denn Frauen sprechen in der gleichen agressiven Sprache wie Männer dies tun. – Das alles zusammen ist mehr als unglaubwürdig. Ein interessantes Thema, aber wie auch immer das dem Autor gelungen ist, er hat es komplett vergeigt!

Da wird geschildert, dass jetzt sogar bei den Moslems Frauen die Arbeiten von Männern erledigen müssen und das ist aus irgendeinem Grunde schwierig und die weiblichen Ölbortrupps werden regelmäßig von männlichen Horden überfallen. Frauen werden darauf sogar per Schulung vorbereitet! Irgendwo in Indien – oder war es China? – egal, jedenfalls irgendwo am anderen unzivilisierten Ende der Welt, werden übrigens weiterhin geborene Mädchen getötet, weil man auf männliche Nachkommen abzielt – ganz im Sinne der Familienehre. Männer, die etwas auf sich halten, spenden gleich dreimal pro Woche für die öffentliche Samenbank – niemand weiss warum, denn es wurde bereits jetzt so viel Sperma eingelagert, dass es ganz sicher nicht besonders schnell knapp werden wird – zumal gleichzeitig auch noch enorme Fortschritte beim Klonen gemacht werden. Radikale Männer sind gegen das Klonen, gegen die Samenbanken – oder doch nicht – oder eben gleich gegen alle Frauen. Auf jeden Fall gibt es gegen derleit Institutionen terroristische Anschläge und Vergewaltigungen auf offener Straße gehören in bestimmten Stadtvierteiln auch zur Tagesordnung. Und dann noch der Kardinalfehler: Es ist immer von Bevölkerungsrückgang die Rede. Das entspricht allerdings kaum der wissenschaftlichen Erkenntnis. Nur wenn die Anzahl der weiblichen Individuen dezimiert wird, kommt es zu einem Bevölkerungsrückgang. Das Fehlen von männlichen Individuen hat so gut wie gar keine Auswirkungen auf eine Population. Das hat der Autor aber wohl auch übersehen.

Das Erdwesen zieht in Erwägung das Buch noch einmal auf Englisch zu lesen, um sich ein besseres Urteil bilden zu können. Nur gut, dass Impfstoffe wenn es tatsächlich darauf ankommt, heute anscheinend durchaus schneller entwickelt werden können…

Über Erdwesen

Erdwesen ist ein Erdwesen! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Erdwesen schreibt aber auch noch in einer Reihe von anderen Foren und es gibt auch Foren, in denen sie sich so unbeliebt gemacht hat, dass sie dort heute besser nicht mehr schreibt.
Dieser Beitrag wurde unter Bücher abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar