Matthew Sturges: Schattenspäher (2010, 523 Seiten)
Wie das Leben so spielt, entdeckte das Erdwesen bei der Durchsicht ihrer umfangreichen Büchersammlung ein Buch, welches „Midwinter“ zum Verwechseln ähnlich sah und so kam es, dass sie den zweiten Teil der Midwinter-Saga mit dem Titel „Schattenspäher“ doch noch las.
Sehr zu Erdwesens Verwunderung, denn das ist wirklich logisch, spielt in diesem Buch tatsächlich Silberdun die Hauptrolle. Die Geschichte in diesem Buch ist weitaus anspruchsvoller als die im ersten Band und kommt alles in allem auch noch sehr „glaubwürdig“ daher – sofern man bei Fantasy eben von Glaubwürdigkeit reden kann. Die Welten sind schlüssig gestaltet, ebenso diejenigen, die darin ihre Rollen einnehmen. Der Autor scheint sich durchaus weiterentwickelt zu haben und verzichtet nun auch auf historische amerikanische Sportwagen im Feenland.
Das größte Manko dieses Buches ist, dass sehr vieles ausführlich und wirklich „genau“ beschrieben wird. Gleichzeitig bleibt jedoch oft genug unklar, was tatsächlich passiert bzw. wer z.B. wie aussieht. Das größte Rätsel sind für Erdwesen die Bel Zheret Natter, Hund und Katze. Sind es Menschen, sind es Tiere? Sind es Menschen, die zu Tieren wurden? Das liegt wohl im Auge des Betrachters. Silberdun jedenfalls wird zusammen mit Eisenfuß unter der Leitung von Paet zu einem „Schatten“, einem Elitespion, ausgebildet. Die berichteten Grausamkeiten wären ganz klar auch hier verzichtbar gewesen, ohne dass die Geschichte Schaden genommen hätte – aber der Autor ist in Texas zu Hause.
Die zwei Schatten begeben sich mit Sela, die bereits von Natur aus über große, besondere, aber gefährliche Kräfte verfügt und in einer Fae-Irrenanstalt (!) mit dem genialen Namen „Haus Katzengold“ ihr Dasein fristete, auf ihre Mission. Die Mission besteht auch dieses mal wieder darin, das Seelie-Königreich vor dem Untergang zu bewahren. Zu lüften ist das das Rätsel um die Massenvernichtungswaffe Einszorn. Näher beleuchtet wird dabei „re“, das Lebenselexier, dass jedem Fae innewohnt. „re“ kann nämlich tatsächlich kanalisiert und transportiert werden. Dies geschicht beispielsweise durch eine betende Gemeinde. Die Gemeindeglieder spenden durch das Gebet implizit „re“, um dadurch ihre Gottheiten zu ehren (und in diesem Falle überhaupt erst zu erschaffen!). Ferner verfügen ausgebildete Schatten über erstaunliche Fähigkeiten, denn sie werden beinahe unsterblich. Jedenfalls dann, wenn ihr toter Körper im Zweifelsfall zurück auf die Ausbildungs-Insel gebracht wird und er so neues Leben erhält. Wie das genau funktioniert, darüber schweigt sich der Autor allerdings aus. Das Erdwesen war jedenfalls mehr als pikiert, als nach 2/3 der Lektüre plötzlich der Hauptdarsteller stirbt!!
Matthew Sturges stellt jedem Kapitel in kursiver Schrift ein mehr oder weniger langes Zitat aus den Faelanden voran. Das Erdwesen fragt sich, ob man das Buch nicht genauso gut ohne diese zum Teil langatmigen Ausführungen mit Wissenschaftstouch hätte lesen und verstehen können. Des weiteren kommt besonders zum Ende hin ein Stilmittel hinzu: Sobald einer der Akteure, Silberdun oder Sela, auf verlorenem Posten stehen, verändert sich die Zeit ins Präsenz und es wird eine Begebenheit aus der Vergangenheit erzählt, die in einem gewissen Zusammenhang mit dem Hier und Jetzt steht.
Leider ist das ganze auch dieses Mal nicht wirklich gut gelungen. Es ist eine gute Geschichte. Auch die Charaktere sind interessant, wenngleich gelegentlich zu oberflächlich betrachtet, aber dieses Springen von der Haupterzählung zu den alten Begebenheiten, erzählt im Präsenz?
Das eigentliche Ziel war es wohl, die menschliche Entwicklung von Silberdun eindrucksvoll darzustellen, aber dies ist leider nicht gelungen. Dafür wird zu viel auf Dinge eingegangen, die nichts mit ihm direkt zu tun haben und dafür wird es zum Schluss als Begebenheiten mit seiner Mutter geschildert werden, komplett unglaubwürdig, was sich in seinem Leben vorm Gefängnis abgespielt hat. Dazu kommt die vollständig unpassende zeitliche Komponente, denn in einem Nebensatz wird klar, dass er kaum überhaupt Zeit im Gefängnis verbracht hat, er nicht einmal ein Jahr im Kloster war, obwohl dies besonders am Anfang der Geschichte sehr oft betont wird und er überhaupt kaum irgendeine Lebenserfahrung mitbringt.
Ganz zum Schluss rettet Mauritane, der immer noch als Heerführer im Auftrag der Krone tätig ist, die Situation und auch für Silberdun entwickelt sich ein Happy-End. Und so leben sie noch heute, irgendwo glücklich und zufrieden, aber ohne den Titel und Vergünstigungen eines Lords im Königreich der Seelie.
Nunja. Zum Glück scheint es bis heute keinen dritten Teil zu geben, aber vermutlich hat der Autor beim Schreiben jede Menge gelernt :-)