Matthew Sturges: Midwinter (2009, 443 Seiten)
Auf der Suche im Bücherregal fiel dem Erdwesen schon seit einiger Zeit ein recht dicker Wälzer auf. Fantasy-Romane lassen sich oft schnell in „absolut unlesbar“ oder „wirklich spannend“ unterteilen. Es braucht dafür nur wenige Seiten, um ein Urteil zu fällen. Nicht so jedoch hier.
Das Buch ist Matthew Sturges Erstlingswerk. Sturges wurde in Rhode Island geboren und lebt in Texas und damit schwindet zugleich die Hoffnung, auf ein wirklich lesenswertes Buch in deutscher Sprache. Und tatsächlich: Das Buch plätschert einfach dahin. Beim Lesen dachte das Erdwesen oft, „Wann fängt die Geschichte denn nun wirklich an?“ oder „Ja und, wann geht es los?“. Das stimmt zwar objektiv betrachtet nicht so ganz, aber der Aufbau des Buches ist dermaßen schematisch, dass es eben nicht unbedingt spannend ist.
Bei Hauptdarsteller Mauritane handelt es sich um einen Guten, der versehentlich durch Intrigen im Gefängnis landete, wo ihn die geneigte Leserin nun vorfindet. Unerwartet erhält er die Chance, durch einen als unmöglich durchführbaren Auftrag seiner Königin, doch noch in Freiheit zu gelangen. Also wählt er aus den anderen Insassen seine zukünftigen Gefährten. Die Gefährten ziehen los und der böse Widersacher muss sie dabei auch noch unterstützen. Die für die Geschichte unbedeutenderen oder doch nicht ganz so glücklich gewählten Gefährten sterben. Die Überlebenden ziehen siegreich in die Schlacht – leider nicht wirklich gegen den bösen Widersacher, sondern gegen eine dritte Partei, die wohl auch böse ist. Trotzdem wird mit reichlich Magie gekämpft. Es endet für die Überlebenden wie im Märchen und für die durchaus geneigte Leserin und Fan von Detektiv Rockfort oder Kojak – wie soll ich es sagen – furchtbar.
Ohje.
Dazu kommt, dass Erdwesen nicht sofort bemerkte, wer hier überhaupt der Hauptdarsteller ist. Zwar gibt es da eine Person (Mauritane), die handelt, sie wird aber nicht so in die Geschichte eingeführt, als dass sie interessant erscheint. Dann haben wir weitere Charaktere, aber auch deren Darstellung bleibt unvollständig. Und dass der Hauptdarsteller geheimnisvoll ist, wie das Cover behauptet? Nein, wohl kaum. Eher ist er neben allen guten Eigenschaften, die immer wieder aufgelistet werden, ein ziemlich einfältiger Trottel.
Einigermaßen gut gelungen ist die Darstellung des Gefährten Silverdun, aber auch der Mensch Satterly wird gut vorgestellt, wohl dadurch unterstütz, dass es sich bei ihm eben um einen Menschen handelt und nicht wie bei den anderen um Fae. Die Gefährtin Raive wird zwar beschrieben, aber ihr Charakter ist nicht eindeutig bestimmbar und kann letzlich nicht als „schlüssig“ bezeichnet werden, zumal sie auch noch von einer vierten Partei der Fae stammt. Raive ist eher ein Fall von: Texaner beschreibt eine emanzipierte Frau. (Au Backe!!)
Das Buch plätschert gemächlich und durchaus interessant vor sich hin. Es kommt hier und da zu Gemetzeln, die gelegentlich sein müssen, aber ein andermal auch verzichtbar erscheinen. Auch scheint der Weg, den die Gefährten zurücklegen müssen, nicht unbedingt logisch. Erdwesen hat sogar die Stelle verpasst, an der klar wurde, in was überhaupt der Auftrag besteht! Okay, Erdwesen gibt zu, sie hat das Lesen in viele kleine Portionen aufgeteilt und war vielleicht das ein oder andere Mal einfach zu müde. Da kann man schonmal etwas übersehen! Aber der Verdacht liegt doch nahe, dass es der Autor einfach nicht schaffte, stilistisch dieser wichtigen Information den Stellenwert zuzugedenken, die sie vielleicht besser hätte haben sollen. Aber da die Handlung an sich ja recht schlicht ist, ist dieser Lapsus dann auch nicht weiter dramatisch. Es ist ja nicht so, dass einem beim Lesen langweilig wird.
Alles in allem erscheint das Ganze sehr nah an der Elfenwelt-Infrastruktur von Bernhard Hennen angelehnt zu sein, obgleich auch viele weitere durchaus interessante Dinge hinzu kommen. So heißen hier die Elfen nicht Elfen, sondern Fae. Und ein sehr interessanter Aspekt ist, dass die Fae nicht nur ziemlich ähnlich aussehende und ähnlich handelnde Personen sind, sondern darunter fallen offenbar sehr viele denk-begabte Kreaturen, die in der Fae-Welt zu Hause sind. Auch nett ist der Gedanke an ein „berührtes Pferd“, welches mit dem Hauptdarsteller hin und wieder in Fae kommuniziert. Ob „Strähne“ jetzt unbedingt ein so erstklassiger Name für ein so erstklassiges Pferd ist, mag eventuell der Übersetzung geschuldet sein.
Coole Idee ist es auch, wenn plötzlich klar wird, dass das Ganze nicht irgendwann vor vielen hunderten von Jahren spielt, sondern tatsächlich in unserem Heute. Allerdings bedarf es wirklich einer ausgeprägten Phantasie, wenn die Gefährten auf einige in der Fae-Welt gestrandete Menschen treffen, die sich seit wohl an die 15 Jahre schon dort befinden und einen Weg suchen, wieder nach Hause in die Menschenwelt zurückzukehren. Menschenwelt und Fae-Welt existieren demnach parallel, jedoch leben nur die Menschen auf der Erde. Alle verstand-begabten Wesen, die in der Fae-Welt geboren werden, sind allerdings automatisch Fae, also ggf. ohne die unvermeidlichen spitzen, langen Ohren. Und natürlich geht es auch darum, dass magische Energie als Rohstoff begrenzt ist und in der Fae-Welt langsam zu versiegen droht, denn warum sonst sollte es dort überhaupt Konflikte geben?
Schon fragt die geneigte Leserin sich, warum der Exkurs zu den versehentlich in der Regel durch Verkehrsunfall gestrandeten Menschen jetzt notwendig war. Es kann nicht sein, damit dem Leser glaubhaft versichert wird, dass Eisen und Stahl gefährlich für die Existenz von Fae ist und sie stattdessen als Metall ausschließlich Silber benutzen!
Als die große Schlacht der drei rivalisierenden Fae-Gruppen zum Ende hin geschlagen ist, und der Autor den Leser daran erinnert, dass der Termin bei der Königin nun gar nicht mehr zu Fuß und per Pferd eingehalten werden kann, weil der erste im Lamm naht (?!), wohingegen es bis dato immer um den vierten im Hirschen (??) ging (…), kommt endlich der Mensch Satterly zum Einsatz. Mit einem knallroten 1971er Pontiac Lemans Cabrio (was für ein Auto!) chauffiert er seine Fae-Gefährten noch rechtzeitig zur Königin, wo dann der Auftrag als ausgeführt angesehen wird. Alles wird gut und die Königin lässt jedem für sein oder ihr Bemühen eine Gnade zukommen. Was für eine schöne Geschichte. Endlich kommt auch der Frühling und alle ändern von jetzt auf gleich ihr Leben und sind glücklich und zufrieden.
Die Schrift ist riesig und das Papier ist extrem dick.
Irgendwie ist es ein merkwürdiges Buch. Fast scheint es so, als versucht der Autor beständig einerseits sämtliche Elfenbuch-Klischees zu erfüllen aber auf der anderen Seite auch in typisch amerikanischer Manier mit ihnen zu brechen. Ob das Buch nun wirklich sprachlich so ungenau bis unangemessen geschrieben ist? Das kann man bei einer deutschen Übersetzung aus dem Amerikanischen kaum mehr nachvollziehen.
Das Buch hat durchaus einen guten Unterhaltungswert, aber stilistisch ist es eher ein Reinfall. Durch die ungenaue bzw. nicht nachvollziehbare Beschreibung der Charaktere zusammen mit der mangelhaften Beschreibung der Reise zur Königin wird daraus kein „rundes Ganzes“. Sehr schade.
Matthew Sturges ist kein Autor, von dem das Erdwesen noch ein Buch lesen wird, da es nicht davon ausgehe, dass er in einem nächsten Buch an diesen vielen kleinen Fehlern noch arbeiten wird. Dafür ist der Gesamteindruck von „Midwinter“ einfach zu durchschnittlich und dafür ist auch die Geschichte zu abgedroschen. Ganz davon zu schweigen, dass ein Pontiac Lemans natürlich eine Wahnsinns-Sache ist, nur eben nicht in einer Fae-Welt. Da hätte ein einigermaßen betagter VW Golf auch vollständig ausgereicht. Alles andere darf gern als typisch texanische Übertreibung gewertet werden!