Deveraux, Jude: Mehr als nur Träume – A knight in shining armor (1989, 526 Seiten).

Jude Deveraux: Mehr als nur Träume – A knight in shining armor (1989, 526 Seiten).

Nachdem das Lesen im neu zusammengebauten Liegestuhl so vorzüglich klappte, konnte das Erdwesen sich an das nächste Werk machen. Da es schwierig ist, zwischen den historischen Zeiten zu arg zu springen, kam nur etwas Historisches in Betracht und leichte Kost sollte es auch sein. Am besten auch noch voluminös, damit so nach und nach wieder alle Bücher gleichermaßen im Regel Platz finden. Und dann noch dieses vielversprechende Cover! Und erst der Name der Schreiberin! Also war schon mal klar, dass es sehr leichte Kost sein würde, aber nach einer vollumfänglichen Rattenplage ja vielleicht auch nicht das Schlechteste.

Was dann allerdings kam, war doch etwas anders als erwartet. Schon lange nicht mehr ist dem Erdwesen ein dermaßen fehlerträchtiges Buch unter die Brille gekommen. Unglaublich! Zahlreiche Sätze waren verstümmelt, die Übersetzung lies aber auch keinen Schluss mehr zu auf die Wortwahl im amerikanischen Original. Dazu noch massenhaft Druckfehler. Mit viel Phantasie gelang es dann aber doch noch das Buch komplett durchzulesen, denn die Story ist wirklich gut! Jemand mit mehr Sprachtalent und ein wenig größerem Hang zu ausgefeilterer Komplexität hätte daraus sicherlich etwas wirklich imposantes (Stichwort: Hexe) zaubern können.

Nichts desto trotz ist es aus amerikanischer Sicht ein ziemlich gut gelungenes Buch über das Inselreich zwischen Nord- und Irischer See. Besonders die Welt um 1560/64 ist äußerst glaubwürdig dargestellt. Jedenfalls aus Sicht der Hauptdarstellerin, die aus den USA 1988 stammt und bei der es sich natürlich um eine Tochter aus reichem Hause handelt. Über viele Dinge musste das Erdwesen dann trotzdem den Kopf schütteln. Aber für eine amerikanische Autorin mag es so okay sein.

Dougless Montgomery, die Hauptdarstellerin wird mitten in der Pampa (also in einem normalen Englischen Städtchen) 1988 von ihrem ungehobelten Geliebten verlassen, der stattdessen einfach mit seiner Teenager-Tochter die Reise fortführt. Durch diverse Umstände, die für eine Europäerin kaum nachvollziehbar sind, findet sie sich in einer Kapelle wieder – ohne Ausweispapiere oder Geld. Sie heult sich an einem alten Grabmal eines Ritters die Augen aus dem Leibe und siehe da: Plötzlich taucht der Ritter leibhaftig auf! Der allerdings ist komplett verwirrt, denn gerade noch befand er sich in einer Gefängniszelle und wartete, einen ehrenrettenen Brief an seine Mutter schreibend, darauf, dass er wegen Hochverrat zwei Tage später geköpft wird.

Die Geschichte brilliert durch eine faszinierende Darstellung wie Nicholas, der Ritter und ein Lord dazu, unsere Welt von heute betrachtet. Da er zufälligerweise ein paar in 1988 seltene Münzen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts bei sich trägt, verfügen nach dem Verkauf beide über ausreichend Geld und können so dem absoluten Shopping-Wahn verfallen. Und das wiederum wirkt wirklich unglaubwürdig. Wer kann soviel Dinge einkaufen?

Gestalterisch ist das einfach eine schlechte und typisch amerikanische Weiterentwicklung der Geschichte. – Es kommt aber wie es kommen muss. Natürlich ist Nicholas wirklich ein edler Ritter, der aber nun wenigstens seine selbst entworfenen damaligen Häuser in Augenschein nehmen möchte, was auch kein Problem ist, denn in England gibt es für alles und jeden historische Führungen.

Zu seinem großen Entsetzen hat die Nachwelt 400 Jahre nach seinem unfreiwilligen Ableben jedoch kein allzu gutes Bild von ihm und seiner kompletten Familie, denn was bleibt ist eine hinreißende Erzählung über seine stets einnehmende Wirkung auf das weibliche Geschlecht und vor allem zu einem – nennen wir es – Vorkommnis auf einem Tisch, über das leider seine damalige Dienerschaft tagebuchlich zu berichten wusste. Nicholas ist pikiert, Dougless aber sehr daran interessiert, sich alle diese Geschichten anzuhören. Männer ähneln sich eben über all diese Hunderte von Jahren hinweg!

Nicholas möchte seinen Namen reinwaschen und statt dessen doch lieber als aufrichtiger gelehrter Mann in die Geschichte eingehen. Er hat keinen Hochverrat gegenüber der Königin von England begangen und er will auch nicht über einem Brief an seine Mutter in einer Gefängniszelle zwei Tage vor seiner Hinrichtung verstorben sein, denn was ist das für ein Tod?! Seine Familie soll ebenfalls nicht komplett und aufgrund einer Reihe unglückseeliger Umstände ausgelöscht werden.

Nachdem die vermeintliche Lösung des Rätsels auf der Hälfte des Buches gefunden ist, verschwindet Nicholas so schnell wie er gekommen ist in seine Zeit und Dougless bleibt zurück – allein mit ihren Empfindungen für Nicholas, den jedoch kein anderer außer sie selbst zur Kenntnis genommen zu haben scheint. (Eine wirklich äußerst treffsichere Lösung für das Zeitparadoxon à la Star Trek!)

Dougless ist untröstlich, findet aber bei der historischen Recherche heraus, dass all das Bemühen, die Geschichte für Nicholas im Heute zu ändern nur dazu geführt hat, dass Nicholas nun wenigstens noch seine Enthauptung erlebt. Sonst bleibt alles beim Alten und keiner wird je seine wahren Qualitäten als Baumeister wunderschöner Herrensitze erkennen können, denn immer noch gilt er als Frauenheld, der letztlich seine komplette Familie von der Weltbühne verschwinden lies.

Dougless beschließt, dass es möglich sein muss, zu ihm in seine Zeit zu gelangen und tatsächlich schafft sie es. Nur: Nicholas kann sich nicht mehr an sie erinnern und so beginnt das Kennenlernen von Neuem. Systematisch gelingt es Dougless tatsächlich schlimme Ereignisse von Nicholas und vor allem seiner Familie abzuwenden. Ja, und da muss man dann als Leserin schon wieder übel reingrätschen. Die Darstellung, warum das alles so schwierig ist, ist wieder ein Auswuchs übelster amerikanischer Phantasie und damit für normale Durchschnittseuropäerinnen kaum nachvollziehbar. Hier hätte es einer weitaus subtileren Schreibweise bedurft, um die Geschichte in Hochform dazubieten. Aber vielleicht können das unbedarfte Amerikaner auch nicht verstehen. (?) Schade, schade, schade.

Nichts desto trotz findet alles doch noch ein gutes Ende und das Erdwesen konnte nach der letzten Seite immerhin zufrieden den Buchdeckel zuklappen. Eine sehr hübsche Idee! Zwar ganz anders als das Erdwesen sich gedacht hatte, aber wirklich hübsch und äußerst fein erdacht!

 

Das Buch ist tragischerweise eines derjenigen Bücher, bei denen das Erdwesen traurig darüber nachdenkt, wie es sich wohl gelesen hätte, wenn jemand mit etwas mehr schreiberischem Talent und einem nicht ganz so amerikanischem Frauenbild es geschrieben hätte. Dazu eine wirklich gute Übersetzung und es wäre eines dieser wirklich guten Bücher mit einer hinreißenden Story. So bleibt als Recherchearbeit nur, nachzuprüfen, wieviel möglicherweise der hundsmiserablen deutschen Übersetzung anzulasten ist, denn die Autorin ist tatsächlich eine amerikanische Bestsellerautorin. Da hier offenbar schon der Montgomery-Clan eingeführt wurde und auch auf die männlichen Helden der Taggerts abgehoben wird, lohnt es vielleicht, zusätzlich ein etwas neueres Werk auf Amerikanisch zu lesen, um einen Vergleich zu haben, wie das ganze in dieser Sprache wirkt. ->> Okay, ich habe nun etwas recherchiert, tatsächlich werden bei dieser Autorin im Deutschen munter sogar die Namen der Protagonisten ausgetauscht. Einige englische Rezensionen legen z.B. nahe, dass ihr Freund nicht Robert sondern Richard heißt… Die Montgomerys haben den Namen Ascott erhalten! So etwas geht gar nicht.

Über Erdwesen

Erdwesen ist ein Erdwesen! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Erdwesen schreibt aber auch noch in einer Reihe von anderen Foren und es gibt auch Foren, in denen sie sich so unbeliebt gemacht hat, dass sie dort heute besser nicht mehr schreibt.
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