Bärbel Böcker: Mit 50 hat man noch Träume (2011, 332 Seiten)
Auch dieses Buch fand das Erdwesen natürlich im hiesigen Bücherschrank und bei dem Titel musste sie es natürlich mitnehmen. Allein schon das kitschige Cover! Lila mit Tortendeckchen-Rand, rote Titelschrift und dazu ein mega-kitschiges Bild, was direkt von einem Weinstübchen an der Ahr stammen könnte. Au Backe!
So schlimme war es dann aber gar nicht. Erzählt wird die Geschichte von vier fast 50-jährigen Frauen, die einen Traum wahrmachen und in Ahrweiler das Ahrstübchen eröffnen. Was dann folgt, ist eine der skurilsten Geschichten, die man sich nur vorstellen kann.
Die Leben der vier Damen werden ganz normal dargestellt. Nicht ganz so ein hochgradiges Dummgefasel wie in den berühmten „Frau in der Gesellschaft“-Büchern, wo die Damen stets durchs Leben stöckeln und das Geld ihrer Verflossenen verprassen. (Wobei dies natürlich auch weiterhin ein Lebensmodell ist, dem Damen aus der Realität weiterhin frönen.) Diese Damen haben jede einen guten Grund, an ihrem tristen, anstrengenden oder rein funktionellen Dasein mit dem „Ahrstübchen“ ein jähes Ende zu setzen. Nun kann man sich viel vorstellen, was Frauen um die 50 anstellen, damit sie sich nicht langweilen. Die Geschichte stellt aber all das in den Schatten, so dass das Erdwesen bis heute die Frage nicht zu beantworten vermag: Ist das nur nacherzählte Realität oder einfach komplett überbordende Phantasie?!?
Die vier Treffen auf die typische Provinzbevölkerung, die skeptisch gegenüber Zugereisten ist. Wie sollte es auch anders sein? Dann jedoch verbünden sich die vier mit ihrer direkten Konkurrenz, einem echt deutsch gewordenen chinesischen Famlienbetrieb. Die Skuriliäten nehmen kein Ende. Während eine mit dem ansehnlichsten aber deutlich jüngerem Chinesen dem Line Dance frönt, macht die andere mit ihm Qi-Gong am Ufer der Ahr. Seine Kawasaki fahrende Schwester jedoch verbündet sich mit einer Cousine, die in der chinesischen Nationalmannschaft Fußball spielt und eigentlich in Köln studieren möchte, was ja gleich um die Ecke ist. Irgendwann einigen sich die Landfrauen, die Ehefrau des Bürgermeisters, der eigentlich so überhaupt nichts von einem chinesischen Touch in seiner Gemeinde hält und der hiesige Fußballclub! Zum Glück ist eine der vier Protagonistinnen eine versierte Physiotherapeutin des 1. FC Köln (Männermannschaft).
Bei so einem Setting kann man sich leicht vorstellen, dass es gar nicht so sehr darum geht, ein wirklich spannendes und interessantes Buch zu lesen, sondern vermutlich eher darum: Was fällt dieser Autorin noch ein! – So einiges!
Die chinesische Familie verdient gut, denn sie hat einen langjährigen Vertrag mit einem chinesischen Reiseanbieter. So wird eines Tages ein Tempelbau beschlossen. Sowohl die vier Frauen als auch die Chinesen geraten als Zugezogene gleichermaßen unter Beschuss durch die hiesigen Rechten. Da wir aber hier in Westdeutschland sind, verlaufen sämtliche Bemühungen der Rechten im Sande. Zwar brennt der ohne Baugenehmigung errichtete Tempel ab, weil Brandstifter am Werke sind, aber die Befürworter für ein multikulturelles Ahrweiler sind einfach zu groß.
Unterschriften werden gesammelt, Politiker sogar vom opportunistischen Bürgermeister auf die richtige Seite gezogen und so wartet man auf die Kreisverwaltung bis es möglich ist, einen noch prächtigeren Tempel zu errichten. Der Medienrummel lässt sich prima für das Ahrstübchen nutzen, denn schließlich ist eine der vier Damen ohnehin mit einer Promotion-Firma verbandelt und fühlt sich „noch rüstig genug“, ein kleines Marketing-Konzept zu erstellen, was Chinesen und dem Ahrstübchen so wie dem Rest der Restaurationsbetriebe im wunderschönen Örtchen zu Gute kommt. Dummerweise taucht dann auch noch innerhalb weniger Minuten der verlassene und von den eigenen Kindern nach Barbados, wo er seine Angetraute vermutete, geschiedene Ehemann der vierten Protagonistin sowie ein Rasterlocken tragender Schwarzer Supermann aus Barbados auf, mit dem sie dort natürlich – natürlich nicht! – im Bett war. Der Typ ist nämlich viel zu jung und will sich eigentlich nur etwas in Deutschland umschauen, was ihm durch einen Job in der Küche dann auch ermöglicht wird. Aber die Tochter der in Sachen Liebesdingen eifrigsten Protagonistin schnappt sich den sehr jungen Mann, der im Bündnis gegen Rechts aktiv ist.
Was für eine Story?
Die konnte irgendwie nur in der Region Ahrweiler spielen. Das Erdwesen war einst selbst dort. Die sind da wirklich so. Wirklich. Und dass Rheinländer einen Sprung in der Schüssel haben, ist jedem Westfalen selbstredend auch klar. Unfassbar!
Da ich nicht annehme, dass außer mir jemand noch dieses Buch lesen wird:
„Als ihr die Augen langsam zufielen, sah sie ein riesiges Feuerwerk vor sich. Es leuchtete rot, es leuchtete gelb und es leuchtete grün. Das ist es, was das Leben mit 50 so lebenswert macht, dachte sie und drückte ihren Kopf in die Kissen. Die Intensität der Farben, das Bewusstsein der eigenen Kraft und die Träume.“
Au Backe!