Bald ist es wieder so weit und ich darf wieder Rasen. Diesmal von der Landeshauptstadt in die Provinz. Also erstmal langsam los und dann an allen anderen vorbei – so schnell wie möglich.
Hin und wieder frage ich mich, was ich dabei eigentlich denke. Also ehrlich gesagt ist es nicht besonders viel. Ich analysiere, wie die anderen fahren. Ob heute ich oder ein anderer gefährlicher ist und dann versuche ich lebendig am anderen Ende meiner Strecke anzukommen. Manchmal komme ich mir bei meiner fast wöchentlichen Fahrt allerdings vor wie ein Tourist. Ein Tourist, der sorgfältig analysiert, wo genau der neue Flicken hingekommen ist, den der LKW provoziert hat, dessen Fahrer bei dem ungeplanten Manöver ums Leben kam und der im schlimmsten Falle noch weitere Menschen mit in den Tod riss, weil er einfach unglücklich durch die Mittelleitplanke brach.
Und mittlerweile verbinde ich viele Punkte auf der Strecke mit Momenten, die ich selbst erlebt habe. Hier wurde ich von einem Laster, der unvermittelt mitten in der Nacht auch noch die dritte Spur dicht machte ausgebremst – damals mit einem mager ausgestatteten Leihwagen. Ich revanchierte mich mit einem sehr knappen Manöver beim Wechsel zurück auf die rechte Spur, von der man mich zuvor vertrieben hatte.
Dort in der Links bei Bad Eilsen, zog mir, die ich mit Suzi von hinten ankam, ein Laster auf die Dritte Spur direkt vor’s Vorderrad. Für ein Auto hätte der verbleibende Platz nie gereicht. Aber drei Laster und ein Motorrad an der Mittelleitplanke? Das passt noch. Und ich hatte noch Reserven. Reserven zu Bremsen, etliche Zentimeter bis zur Betonmauer. Nichts Dramatisches. Ich konnte den Abstand noch sehen. Vielleicht liegts auch daran, dass ich ziemlich kurzsichtig bin und damals noch mit der alten Brille gefahren bin…
Dann gibts noch eine Stelle, wo sich der Inhalt meines Tankrucksacks zu verflüchtigen drohte und was mir einen von 0 auf xxx-Start vom Seitenstreifen aus bescherte, den kein Auto je zu Wege gebracht hätte.
Zurück nach Hannover gibt’s eine abschüssige Stelle bei der Auffahrt von Bad Eilsen, wo die Welt sich von jetzt auf Gleich in eine dichte weiße Wand verwandelte. Ganz ohne Vorwarnung! Dank sei dem LKW-Fahrer, der vermutlich das Leben sehr viele Nachfolgender gerettet hat, indem er seinen Laster von Volldampf auf 30 und weniger einbremste. Selbst mit Warnblinker hätte ich es mit meiner Suzi nicht geschafft, die Nachfolgenden davon zu überzeugen, langsamer zu werden. Manchmal braucht es wahre Größe.
Auch das Fahren bei Dunkelheit hat seine Tücken. So gab es lange Zeit eine Stelle auf der rechten Spur genau an der Grenze zwischen NRW und Niedersachsen, die für Motorradfahrer durchaus hätte tödlich sein können. Sonst war ich nur am Tage unterwegs und hatte die Stelle auf der langsamen Spur längst wieder vergessen. Überholspur eben. Aber an diesem Abend war es anders: Wenn man schon etliche Kilometer mit Top-Speed und annähernd auf den Rasten stehend unterwegs war, weil alles frei ist, kommt zumindest dem Erdwesen eine gemütliche Geschwindigkeitsbegrenzung gerade recht. Endlich mal wieder bequem hinsetzen – und sich dann fast das Genick brechen, weil genau in der Mitte einer Spur doch ein Huckel ist, der einen in Erstaunen zurück lässt, nur weil man ein paar Kilometer später feststellt, dass der eigene Kopf in der Tat noch oben und immerhin zu mäßigen, eigenständigen Bewegungen fähig ist.
In Richtung Bielfeld waren es diese Woche zwei kleine neue Teerflächen. Sogar das Teerflicken geht in zwischen immer schneller, sollte doch die Autobahn bis zum Nachmittag eigentlich gesperrt sein, was das Erdwesen dazu verdonnert hätte, mindestens eineinhalb Stunden länger durchs Weserbergland unterwegs zu sein. Auf der Gegenfahrbahn war die komplette Breite neu geteert. Wow!
Ja, manchmal bin ich mir sicher, ich bin ein Tourist. Ein Tourist, der sich anschaut, welche Teil neuen Asphalts zu welchem Unfall der vergangenen Woche gehört. Wo die neue Leitplanke eingesetzt wurde, von der im Radio die Rede war und wie sich der schreckliche, sonnengegerbte Beton bei Garbsen entwickelt, der mich bei Starkregen in der Fahrschule das Fürchten lehrte. Ach was „Fürchten“?! Das ist ein so mächtiges Wort und helfen kann es einem auch nicht. Eigentlich hat der Beton mir nur gezeigt, dass es notwendig ist, Respekt zu haben. Die Furcht, die hatte währenddessen mein Fahrlehrer im Auto hinter mir. Kreidebleich stieg er aus dem Wagen, nachdem er mich die erste mögliche Ausfahrt wieder von der Bahn gelotst hatte. Dass er die ganze Zeit lang mit blanker Angst in der Stimme: „mittig, halten, gleichmäßig, halten, mittig bleiben…“ in mein Headset gebrabbelt hatte, war ihm wohl gar nicht aufgefallen. Irgendwie sah ich mich verpflichtet, ihn dann nach dem Anhalten, Ab- und Aussteigen zu beruhigen und grinste ihm triefend mit offenem Visier entgegen „Ist das ein Scheiß-Wetter!!“ – Schließlich war ich die Ältere von uns beiden.
Ganz anders ist es, wenn das Erdwesen mit dem wunderbaren roten Geschoss unterwegs ist. Gut, ich gebe zu: die Hinfahrt nach Hannover verlief doch sehr beschaulich – allerdings nur, was das Tempo angeht. Es ist für wahr kein Zuckerschlecken sich mit 80 – 100 km/h in Richtung Nordost zu bewegen und zugleich nicht zu wissen, ob es nicht gleich zu irgendeiner Fehlfunktion (außer den Vorderradbremsen) kommen wird. Aber auch die Rückfahrt in die Provinz war nicht einfach. Der Ferrari war wieder voll durchgetunt mit Plakette (Zahnriemen und Wasserpumpe lassen wir mal für einen Moment außen vor) und so konnte das Rennen beginnen. 75 PS! – Da heißt es, jede Örtlichkeit ausnutzen, den eigenen Vorsätzen im Hinblick auf Abstandswahrung und Gefahrenabwehr bestmöglich nachzukommen und dennoch eine Bestzeit zu erzielen.
Scheiße. Wäre ich bloß nie in Oschersleben gefahren. Die A2 ist eigentlich wie Oschersleben, nur mit mehr Hindernissen und weniger schwierigen Kurven. Der, der hinten fährt, muss schauen, wie er vorbeikommt. Das ist die Regel.
Dort eine Kuppe, also schon mal links anvisieren, denn nach einer Kuppe geht es: bergab! Rasch an dem Trödler vorbei, den Speed ausnutzen bis zur nächsten Rechts – leider uneinsehbar, aber die Bremsen gehen jetzt ja wieder. Ah! Wir nähern uns der 120er Zone. Astra, nun hast Du Deinen großen Auftritt. Die anderen, ja – auch der Audi da vorne! – werden gleich eine Geschwindigkeit erreichen, mit der wir wieder ganz locker mithalten können. Schnell rüber auf die linke Spur, aber noch rechtzeitig vor dem vermalledeiten Aufhebungszeichen wieder nach rechts! – Am Ende war das Erdwesen schweißgebadet. Die Bestzeit liegt mit Suzi in diese Richtung nun bei 1:16h (!!!), mit dem guten zu diesem Zeitpunkt fast großjährigen Astra hatten wir irgendwas mit 1:35h erreicht. Ist auch egal. Es war wie immer eines der schwierigsten Rennen meines Lebens :-) Das Gute ist: Der Astra fährt komplett außer Konkurrenz. Einfach nur so. Und zum Glück ist er rot.
Das Erdwesen aber, ist oft ein Tourist. Ein Tourist, der sich schönes, aber nicht zu schönes Wetter wünscht und der unterwegs mit Suzi jede einzelne der niedersächsischen Verkehrsleitsystemtafeln bereits im Vorfeld hypnotisiert: „Zeigt mir ‚Feuer frei‘! Zeig mir ‚Feuer frei!‘! oder, wenn sich wieder einmal die Wassermassen vom Himmel stürzen, fluchend gen Hannover hastet um festzutellen, dass sich die Person, die das Verkehrsleitsystem heute bedient, wohl gerade in der Kaffepause befindet, weil: „80 ist hier doch viel zu schnell!!! Seid Ihr alle des Wahnsinns?!“
Ich frag mich, was wirklich gefährlicher ist. Schleichfahrt oder mein Leben auf der Überholspur? Renntrainings zahlen sich aus. Immer wieder. Mit dem Astra zum Bilster Berg. Das wär’s! – Aber bitte ohne Regen!