Was gibt es Karfreitag Schöneres, als einen Osterbesuch im Pflegeheim zu machen – mit einem 21 Jahre alten Opel Astra, einer 82-jährigen Rollator-Dame im Gepäck und ohne Händi, weil das die Heimbewohner/innen nur verschrecken würde, wenn es losgeht? – Ganz klar. Schöner ist es, das Pflegeheim wieder zu verlassen, in den hübschen brilliant-roten Astra einzusteigen und wieder zur wartenden Suzi zurückzukehren.
Sagen wir mal so. Rollator verstaut, Rollator-Dame verstaut, Gepäck verstaut, ins Auto gesetzt und am Schlüssel gedreht, während die Rollator-Dame nebenan unverdrossen weiterplappert. Ergebnis: Bis auf das Plappern, Stille!
Flugs zum Tank hinten rechts gelaufen, den Tank aufgeschraubt, entlüftet, wieder halbherzig zugedreht. Der Tank ist bis Oberkante voll. Erneut am Schlüssel gedreht! Nichts!!
Heckklappe auf, Abschleppseil in gelb herausgefischt, hinten in der Öse befestigt und wild umhergeschwungen, um jemanden zu finden, der uns mal kurz rückwärts aus der Parklücke befördert:
„Das Auto ist ganz neu! Damit kann man nicht abschleppen. Ich weiß gar nicht wie das geht!“ – Oh Armut!
Abwinken schon von weitem. Okay, ich hab Verständnis. – Ob ich mit 85+ noch irgendwen abschleppen werde? Da bin ich mir auch nicht ganz sicher ;-)
Endlich kommt eine bezahlte Pflegekraft, deren Schicht in Kürze beginnt. Das Erdwesen schmeißt sich todesmutig vor dem rollenden Wagen in den Staub und befestigt irgendwo am Rahmen das andere Ende des Abschleppseils. Der dicke Kombi rollt an und zieht den kleinen Astra mit Leichtigkeit rückwärts aus der Parklücke. Mit etwas Geschick und gutem Willen, werde ich ihn so in Abfahrtposition bugsieren können. Was sind schon 1,2 Tonnen?! Schließlich habe ich schon auf der Papenburger Rennstrecke gelernt, dass man Suzi mit einem einzigen Finger in Balance halten kann. Da werden zwei Hände sicher auch für einen Astra reichen!
Nach ca. 7 Jahren wird die Rollator-Dame endlich mal wieder hinters Steuer verfrachtet – zum Lenken. Zuerst klappt das Schieben ganz gut, aber auf dem Schotter rutscht auch das Erdwesen gelegentlich weg. Doch Hilfe naht! – Vorbei kommt ein Mann, der einen Rollstuhl, wahrscheinlich mit seinem Vater drin, schiebt. Wo er sowieso schon dabei ist, wechselt er kurz entschlossen vom hintern Rollstuhl zum hinterm Astra, während die Rollator-Dame, immer noch am Steuer, entsetzt ist, ob der hohen Geschwindigkeit, die wir dabei erreichen. An günstiger Stelle und weil Gegenverkehr naht, wir uns aber auf der linken Spur befinden, breche ich die Aktion ab. Mir fällt gerade nicht ein, wie ich der Versicherung schildern soll, wie sich der Frontalzusammenstoß eigentlich ereignet hat. Aber der wohl um die 90 Jahre alten Dame im herannahenden Kleinwagen gelingt es, sich spontan an die englische Situation vorm Pflegeheim zu gewöhnen und weicht gekonnt in Richtung Wiese aus. Schweren Herzens verabschiede ich mich vom Rollstuhl-Schieber und begleite ihn noch die paar Hundert Meter zurück bis zu meinem gelben Abschleppseil und seinen durchaus interessiert wartenden Vater im Rollstuhl.
Doch – Hilfe naht auch hier, direkt beim Gegenverkehr! Diesmal ist es der Mann, vor dessen Haus wir in letzter Sekunde zum Stehen gekommen sind. Er ist Opel-Fachmann, das merkt man sofort und zieht sich extra für uns sogar ein T-Shirt an, wenngleich das jetzt seinen opulenten Oberkörper verbirgt.
Ist es die Batterie? – Wohl kaum! (Aber wir bekommen trotzdem Starthilfe, hat sich das Anschaffen der Kabellage doch endlich mal gelohnt.) Irgendein Wackelkontakt in der Elektrik? – Doch nicht bei dieser genialen Karosse! Die läuft seit mehr als zwei Jahrzehnten tadellos – abgesehen von seltenen Ausnahmen, die dazu führen, dass wir für gewöhnlich ein komplettes Werkzeugarsenal mit uns herumfahren, welches ich nur aus dem einzigen Grunde im Laufe der Zeit reduziert habe, weil ich von über der Hälfte der Dinge gar nicht weiß, wie ich sie verwenden könnte. Meiner Ansicht nach ist der Anlasser kaputt und der Schlüssel hat schon immer eine Macke bei Sonnenschein, den wir heute reichlich haben. Bei einem Sauwetter wäre das hier bestimmt nicht passiert!
Der Mann holt seinen Opel und fragt nach einer Abschleppöse?! Einer was?!?!?! – Ich nehme immer den Rahmen… Der Profi zeigt uns wie’s geht (05.05.2019 – Unglaublich: Ich finde im ausgelagerten Werkzeugkoffer auch unsere Abschleppöse! Wie konnte das geschehen? Ein Abschleppseil ohne eigene Opel-Öse?! Kommt jetzt nicht mehr vor!). Er schraubt die Öse hinter die kleine Klappe, die mir aber auch wirklich noch niemals zuvor aufgefallen ist, zieht sie fest, klinkt das Seil ein. Ich befestige das andere Ende an seiner Anhängerkupplung und es geht los – für uns wie angeordnet im zweiten Gang. Auf die nächst größere Straße und mit Anlauf. Keine 200 Meter und der Astra läuft. Ich wage allerdings nicht, mich noch in irgendeiner Form zu bewegen. Nachdem mich das Abschleppseil durch die herunergekurbelte Scheibe wieder erreicht hat, verabschieden wir uns voller Dankbarkeit. Dank dem beherzten Eingreifen der Rollator-Dame verpasse ich die Straße, auf die wir abbiegen müssen und lande auf einem Parkplatz, wo wir fast noch einen Crash haben. Nun ja!
Nun aber flugs in Richtung Suzi, denn dort wartet auf die Rollator-Dame schon der ambulante Pflegedienst. Dieser kommt uns tatsächlich auch schon wieder nach dem erfolglosen Versuch der Pflege einer heute nicht anzutreffenden Rollator-Dame entgegen und ich schaffe es, Maria klar zu machen, dass sie als erste zurückfährt, da ich für den Astra eine günstige Ausgangsposition für die nachfolgende Fahrt in die Werkstatt einnehmen muss.
Dort nun packe ich, der Astra läuft selbstverständlich noch, das volljährige Pasadena-Bike in den Kofferraum, um von der Werkstatt in der Dom-Metropole noch irgendwie zurück zu meiner Suzi zu kommen, die dann ca. 7 km entfernt auf mich warten wird. Nachdem Maria den Ort des Geschehens wieder einmal voller Unverständnis verlassen hat – Maria ist eigentlich Vermessungstechnikerin und daher eine wirklich komplett ungewöhnliche Besetzung in Sachen Pflege – folge ich in gebührendem Abstand. Auf geht es in die Nachbargemeinde und zur allseits bekannten Opel-Werkstatt. Dort erkennen sie dieses Auto schon von Weitem. Es darf, soweit mir bekannt ist, von Alters her jederzeit dort Parkplätze blockieren oder gen Türen rollen. Ich muss nur noch einen Zettel mit Beschreibung der zu erledigenden Arbeiten, Telefonnummer und Schlüssel in den Briefkasten einwerfen. Sogleich begeben Pasadena und ich uns zurück, vorbei am wunderschönen Dom und in Richtung der wartenden Suzi. Dank Rückwind und vollendetem abendlichen Sonnenschein ist all dies vortrefflich möglich.
Ich weiß nicht, wie andere Menschen ihre freie Zeit verbringen. Aber mich macht soviel Abenteuer immer wieder aufs Neue total fertig! Von daher verbringe ich sie meist mit Ausruhen. Bis die nächste Katastrophe – in aller Regel unvermittelt – über mich hereinbricht.