Josef Kirschner: Die Kunst ein Egoist zu sein – Das Abenteuer, glücklich zu leben, auch wenn es anderen nicht gefällt (1976, 192 Seiten).
Wieder ein Fund aus dem Bücherschrank, der so kurz vor Weihnachten fast überquoll von so vielen Büchern und DVDs.
Heute kommt ein Buch mit einem solchen Titel wohl nicht mehr an. Der heute angemessene Titel lautete demnach eher „Achtsamkeit für ein erfülltes, selbstbestimmtes und glückliches Leben“.
Der Autor ist Österreicher, 1931 geboren. Das Buch stammt von 1976, wobei es wohl erst 1979 veröffentlicht wurde. Dies alles ist beim Lesen zu berücksichtigen, denn ab und an muten die Beispiele inzwischen etwas altbacken an. Aber alles in allem hat der Autor sein Anliegen sehr präzise auf den Punkt gebracht, auch wenn bei ihm noch allzu oft der Mann als Ernährer und die auf der faulen Haut liegende Hausfrau in Beispielen zu Rate gezogen werden.
Zwar sind beim Erdwesen jetzt nicht alle Fragen geklärt, aber es ist schon erschreckend, welche Mechanismen sie derzeit bei einigen ihrer Mitmenschen sehr gut auffinden kann. Schön, dass die nicht nur ihr aufgefallen sind, sondern auch schon vor über 40 Jahren zu beobachten waren. Fast muss sich das Erdwesen das Buch „Manipulieren – aber richtig“ vom gleichen Autor auch noch besorgen! Dann können wir auf der Arbeit die Muskeln so richtig schön spielen lassen.
Logischerweise findet ein Erdwesen die Kapitel, wo es um die Verteidigung des eigenen Territoriums geht, besonders anschaulich und nachvollziehbar. Mein Revier, Dein Revier. Und Dich lass ich hier bestimmt nicht rein! Es sei, denn wir arbeiten zusammen und können uns auf eine win-win-Lösung einigen.
Ich frage mich, welches Buch meine Teamleitung zum Thema gelesen hat. Ganz gleich, welches es war, es muss eindeutig schlechter gewesen sein als dies hier!
Wie setzt man also einen Wunsch in die Tat um?
1. Bereitschaft, ihm eine Chance zur Entfaltung zu geben.
2. Entscheidung treffen, alle Zweifel auszuschalten.
3. Die Phantasie ungehemmt laufen lassen!
4. Die Entscheidung auf die beste aller gefundenen Möglichkeiten setzen.
5. Mit der Idee identifizieren, die daraus resultierende Spannung nutzen und handeln!
Dabei geht der Autor aber auch ausdrücklich darauf ein, dass es nicht möglich ist, alles gleichzeitig zu bekommen, denn die Erfüllung eines Wunsches zieht immer auch den überlegten Verzicht auf etwas anderes nach sich. Zuerst denke man dabei jedoch an sich selbst. Was will ich wirklich? Und auf was kann ich dann auch getrost verzichten? Wie mache ich also das Beste aus dem, was mir zur Verfügung steht? – Wenn ich das kann, ist es auch nicht notwendig, fortwährend nach Neuem zu streben. Für das eigene Handeln trägt man selbst die Verantwortung. Andere sollen sich an mich gewöhnen, dann brauche ich auch keine ständige verstellte Rücksicht auf die anderen zu nehmen. Dahinter steht immer das ganz persönliche Lebenskonzept. Eben die eigenen Prinzipien, nach denen man in seinem Leben handelt.
Der Autor beschreibt sehr schön an Beispielen, dass viele Menschen (die weitaus größere Mehrheit) dies alles aus diversen Gründen nicht tun. Statt dessen behelfen sie sich damit ständig und jeden Tag aufs Neue ein Alibi dafür zu finden, dass sie so und eben nicht zu ihrem eigenen Bestens handeln. Nach und nach vergeuden sie dann ihre ganze Kraft darauf, bloß nicht aufzufallen – zum Beispiel damit, dass sie überhaupt keine Ahnung von dem haben, was sie tun oder eigentlich tun sollten.
Wie dringen fremde Angreifer aber nun in mein Revier ein? – Sie bedienen sich der folgenden Methoden:
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- – Unterwerfung („Unterwirf Dich!“)
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- – Unterwanderung (Strategie 1: Hilfe wird angeboten, um den Besitzer des Reviers in seiner Verteidigungsbereitschaft erlahmen zu lassen, der Revierbesitzer wird abhängig von der Hilfe und kann sich nicht mehr dagegen erheben. – Strategie 2: Der Angreifer biedert sich als Hilfesuchender an, indem er an Mitleid, Nächstenliebe, Großzügigkeit des Revierbesitzers appelliert. Durch die gewährte Hilfe gefällt sich der Hilfe gebende so sehr, dass er anfängt, diese Rolle zu genießen. Will er jedoch nicht mehr helfen, wird ihm Herzlosigkeit vorgeworfen. Er ist damit also einem Erpressungsversuch ausgeliefert, dem es nun zu widerstehen gilt.)
- – Verführung (Durch das Darbieten besonderer Optionen, die uns immer weiter in eine Richtung treiben, die wir ursprünglich niemals im Blick hatten.)
Ich muss als „Egoist“ also bereit sein, mein Revier ernsthaft zu verteidigen und benötige zugleich die Bereitschaft Verzicht zu üben, denn es ist eben nicht alles gleichzeitig leistbar.
Wie verteidige ich mein Revier?
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- – Signalisieren, dass ich zur Verteidigung bereit bin.
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- – Dem Angreifer mitteilen, unter welchen Bedingungen ein Kompromiss zwischen uns geschlossen werden könnte.
- – Besser ich verzichte auf etwas, als dass ich mich erpressen lasse!.
Hübsch zeigt der Autor zum Ende des Buches hin auch auf, warum es wichtig ist, zwischen Wichtigem und Unwichtigem tadellos unterscheiden zu können. Nur das Wichtige muss nämlich im Fokus verbleiben.
Erdwesens größte Schwäche ist immer noch ihre gnadenlose Naivität, aber zumindest das hat sie ja schon eine ganze Zeit lang erkannt. Also: Auf in den Kampf und echte Haltung bewahren. Immer noch besser als von Alibi zu Alibi zu joggen.