Caleb Carr: Die Täuschung (Killing Time), 2000 (333 Seiten)
Mundus vult decipi, ergo decipiatur. Von diesem Sinnspruch steht allerdings nur der erste Teil über dem Quartier des Bruders von Larissa, einem vor Schmerzen halb verrücktem und unendlichen reichen Wissenschaftler, der in seiner Kindheit zu einem noch frühreren Zeitpunkt als seine jüngere Schwester mit einer Gentherapie gequält wurde, um in den Augen seiner Eltern perfekt zu werden.
Im Wesentlichen geht es um Töten und getötet werden in einer Welt, in der alles vernetzt ist, jeder immer und überall kontrolliert werden kann und der Hauptdarsteller sein Glück in der Wildnis Afrikas zu finden trachtet. Die Gruppe von Wissenschaftlern, denen sich der Hauptdarsteller auf seiner Flucht vor der modernen Welt anschließt, tötet vornehmlich mit einer Rail-Kanone, die alles sozusagen in die Moleküle auflöst und damit wirklich „wegpustet“.
Natürlich tötet die Gruppe von Wissenschaftlern nur deshalb, weil auch andere schon töten und die Wissenschaftlicher wollen durch Ihre Intervention alles doch noch zum Guten wenden.- Die die Gesellschaft ist nämlich längst im fortwährenden Zusammenbruch begriffen. Das mit dem Töten, um Gutes zu tun, klappt natürlich nicht. Der Leser erfährt ja auch überhaupt nur davon, weil der Hauptdarsteller Teil der Wissenschaftler-Gruppe wird und sich seine eigenen Gedanken dazu macht, bis er schließlich seine Larissa, mit der er sich angefreundet hat, wieder aufgibt, um sich wieder von der Gruppe zu lösen, weil er die Greueltaten nicht mehr mit verantworten kann.
Während die Flucht des Hauptdarstellers vor der Obrigkeit immerhin noch ganz interessant geschildert wird und auch die Dinge, die ihm passieren oder mit denen er konfrontiert wird, so ist das Ende des Buches aus meiner Sicht höchst unbefriedigend. Larissas Bruder bekommt letzten Endes tatsächlich seinen auch vor der Gruppe geheimgehaltenen wissenschaftlichen Versuch in den Griff. Er verschwindet zwar spurlos, jedoch ist am Tag danach die Welt, die in Müll und Kriegen versinkt, einfach wieder ein friedlich-paradiesisches Idyll. Folglich muss sein Versuch, jedwedes Übel der Welt im Hier und Heute dadurch zu eleminieren, die Vergangenheit durch eine Zeitreise (ohne Wiederkehr) im Nachhinein als Vorgriff auf die Schrecken des Seins zu verhindern, von Erfolg gekrönt gewesen sein. – Ja, es ist ein wenig kompliziert und es gibt Bücher, die man nicht gelesen haben muss.
Kein Wunder, dass das Buch in Amerika ein Hit war: Ein amerikanisches Märchen und das Warten auf ein wundervolles Endes, welches niemals eintreten wird, so lange immer wieder neue Kriege angezettelt und neue, noch schrecklichere Waffen entworfen und dann auch noch eingesetzt werden. Wahrscheinlich soll das ganze Buch eine Warnung darstellen, aber vom Prinzip her, wird man das unausweichliche Ende in der Realität wohl kaum noch aufhalten können. – Träumt weiter, Länder der Erde.