Was waren das damals für Zeiten?
Endlich hatte ich ein Modem, endlich konnte ich mich einloggen in die große weite, neue Welt und mich bei den Leuten direkt und ohne Porto erkundigen, was denn so los ist, auf der anderen Seite der Erde. Den Kommilitonen berichtete ich von erfolgreichen Chats zu Autorennen auf dem Michigan-See oder ungeahnter englischsprachiger Korrespondenz bis direkt hinter die holländische Grenze. Aber damals, vor dieser unendlich langen Zeit, da waren wir uns alle einig: Das Internet ist ein gefährlicher Ort – wenn Du nicht aufpasst.
Am besten Du hast nirgendwo auf Deinem Rechner Deinen echten Namen gespeichert. Wenn der dort nicht zu finden ist, dann kriegt ihn auch keiner raus. Und pass auf wegen Eliza.
Eliza?
Ja, Eliza. Das ist ein Bot.
Eliza wurde entwickelt von dem in Berlin geborenen Joseph Weizenbaum und sollte helfen, psychisch erkrankten Patientien zu helfen. Denn die müssen erzählen, um gesund zu werden und das Zuhören von immer und immer wieder der gleichen Geschichte, das kann ganz schön langweilig sein. Aber Eliza hat immerwährende Geduld und sie ist begabt darin, das Erzählte wiederzuspiegeln und so dem Patienten dabei zu helfen, seine Gedanken von mal zum mal besser zu ordnen.
Ach so! Klar, und es kann sein, dass ich auf die Verwandten von Eliza irgendwo in einem Chatroom treffe. Ist ja cool!
Das Internet damals war klein. Die paar Seiten des WWW. 14 Treffer fand ich zu Issak Assimov!
Irgendwie haben wir es wohl nicht so richtig wahrgenommen, dass es so werden könnte wie es heute ist. Es ist zwar größer, aber die präsentierten Nachrichten und Meinungen verwurschteln sich immer mehr zu dieser undurchdringlichen großen grauen Pampe. Irgendwann verlierst Du die Lust daran und irgendwann kaufst Du nur noch bei eBay oder bei amazon, bestellst vielleicht mal ein Autokennzeichen online oder schickst Deiner Stadt oder Gemeinde per Kontaktformular eine Nachricht.
Uns steht das Wissen der Welt zur Verfügung, aber wir bleiben genauso kleine, dumme Menschen mit begrenztem Horizont wie wir seit Millionen von Jahren schon sind. Gefangen in unserem Stamm und unserer eigenen Wirklichkeit und dann plötzlich liest Du in einer Tageszeitung (auf Papier) einen merkwürdigen Artikel. Einen, bei dem Dir Angst und Bange wird, weil Du genau das auch schon gedacht hast. In dem Moment als Millionen von Flüchtlingen Deutschland angesteuert haben oder braune Stinker Häuser in Brand setzten. In dem Moment als Du gedacht hast: Jetzt ist die Welt endgültig verrückt geworden.
In Erdwesens Falle war der Artikel am 27. Oktober 2016 in der HAZ zu finden. Andreas Niesmann berichtete über „Wenn Maschinen Meinung machen – Getarnte Text-Robotoer schicken immer mehr automatische Nachrichten ins Netz – und manipulieren so politische Debatten“. Ja, Du hast es immer schon gewußt, aber da Deine Meinung nur die einer Minderheit ist, kannst Du sie auch für Dich behalten.
Nach kurzer Recherche im weltweiten Online-Meinungsshop ist es bedauerlich, dass dieser Artikel nur ein abgeschriebenes etwas aus Spektrum der Wissenschaft plus einiger weiterer Randnotizen ist – das hätte wohl auch jeder bot geschafft – aber immerhin ist es mit Hilfe des Internets möglich gewesen, an die Grundlagenliteratur zu gelangen. Von daher gilt mein Dank der HAZ, die diesen – für ihre sonstige Einstellung schon fast revolutionären Artikel – immerhin einmal abgedruckt hat.
Demnach sind wir also in den viel beworbenen und hoch geachteten Sozialen Medien inzwischen vermutlich Millionen von Bots ausgeliefert, die uns mit Nachrichten unterschiedlicher aber in den meisten Fällen radikaler Coleur zuschwadronieren. Werbung bei YouToube, poliitische Meinungsmache via Twitter und Facebook. Dazu ein Fernsehen, welches sich beschränkt, besonders „interessante Fakten“ aus diesen Medien auch dem Social-Web-Verweigerer per TV zu offerieren und Politiker, die ständig betonen, wie diese oder jene Strömung auch gerade in „den Medien“ die Bürgerinnern und Bürger bewegen. Was für eine Farce!
Das einzige Gute ist, dass die Konrad Adenauer Stiftung inzwischen das Problem wenigstens untersucht hat und in einem Artikel „Invasion der Meinungsroboter“ bereits das Ende der Demokratie ausgerufen hat. Aber lesen Sie selbst…
Mir erscheint es nicht mehr verwunderlich, dass die arabische Welt so durcheinander ist wie sie ist, nur weil „westliche“ Mächte sich dort als Invasoren betätigt haben, indem Sie entweder Twitter gekapert haben, um Stimmung zu machen oder aber gleich vor Ort eingefallen sind, um die eigene Rüstungsindustrie zu fördern. Die Deutschen haben sich ja auch beteiligt, indem Sie mal wieder das tun, was sie am besten können: nämlich andere zu unterrichten. Wieviel Tausende Peschmerga wurden inzwischen schon ausgebildet? Und das alles womöglich nur wegen Karl May?!
Leute, Ihr seid alle irre. Definitiv. Aber vielleicht macht ihr zwischendrin einfach mal eine Sitzung bei Eliza, um wieder auf den Boden der menschenlichen Tatsachen zu gelangen. Sowas soll ja ungemein helfen und ihr könnt dafür nach Erdwesen´s neuster Erkennnis sogar Euer IPhone benutzen.