Ausflug in den Matsch

Suzi und das Erdwesen haben auf den nächsten 9000 km doch schon so einiges erlebt.

Sie hat inzwischen drei Tage Bilster Berg, einen Tag Papenburg und zwei Tage Oschersleben hinter sich. Hinzu kommen (leider) unzählige Autobahnkilometer und vor allem sehr viele schnelle Kilometer auf der Landstraße. Wir haben auf Metzeler M 7RR gewechselt, die wirklich sensationell gute Regenreifen sind. Eine ADAC-Sauerlandtour mit vorgeschaltetem Hütchenfahren haben wir auch bewältigt. Das Highlight war dabei die erste ganz echte Vollbremsung auf Verlangen mit ihr. Ich kann mich noch erinnern, wie ich Vollbremsungen immer und immer wieder mit der Ninja auf einem Parkplatz geübt habe. Bei der Suzi bin ich wirklich davor zurückgeschreckt, bis wir sie dann unbedingt machen mussten. Und das klappte auf Anhieb, wenngleich es sicherlich für das Lenkkopflager nicht gut ist, wenn sie hinten abhebt, was natürlich laut Vorschrift nicht passieren darf. Trotzdem, kann die Vollbremsung nicht die schlechteste gewesen sein. Wir standen eher als die anderen mit ABS.

Die Ninja ist und bleibt allerdings die wendigere Allround-Maschine. Offenkundig lastet bei Suzi sehr viel mehr Gewicht auf dem Vorderrad als bei der Ninja. Dies macht sie in Kurven zwar unschlagbar, aber sobald man sie schieben will, ist das immer wieder ein Kraftakt.

Im September ging es dann mit einer Freundin vier Tage ausgehend von Altastenberg auf kleinsten Sträßchen durchs Sauerland. Obwohl es auf der Rennstrecke vor und hinter mir in meinen Gruppen gekracht hatte, sind Suzi und ich da unbeschadet durch gekommen. Aber das Sauerland… ist echt ein hartes, bolleriges Pflaster.

Ich verpasse ausgehend von einer Bundesstraße eine Abfahrt und zeige meiner nachfolgenden Freundin noch: Fahr da runter!! Selbst suche ich also eine Stelle zum Herumschieben, die ich in Form einer Regenrinne (…) auch finde. Schweißgebadet bewältige ich den Kraftakt. Danach bin ich also zurück zur Abfahrt nach „Kleinhuckelsberg“. Die Freundin steht zu meinem Entsetzen am rechten Fahrbahnrand auf einer kleinen Schotterfläche eines verlassenen Gehöfts, welches auch noch mit Flatterband und Blumenkübeln abgesperrt ist, während ich mich der „Kehre“ nach rechts nähere. Ich brauche mehr seitlichen Anlauf als sie um da rum zu kommen. Von ihrer Position aus könnte ich die Kehre nie fahren. Ist ja sonst alles kein Problem…

Ganz links angefahren, scharf rechts rumgezogen. Es geht abwärts und ich erkenne zu meinem Entsetzen, nachdem ich die Situation überhaupt einsehen kann, eine geradezu riesige schräge Bodenwelle, die ganz locker mal eben das ganze Bike von unten aufreißen kann, wenn ich da in Schräglage drüber fahre. Also weiche ich aus, weil ja kein Auto kommt. Ganz kleine Bewegung, um die geplante Kurve jetzt doch etwas großzügiger zu fahren. Da führe ich meinen Gedanken in Punkto Gegenverkehr zu Ende und erkenne, dass mir ein recht schläfrig wirkender Motorradfahrer auf einer Großenduro genau auf der Mittellinie entgegen kommt. Ich bin jetzt aber 10 cm über der Mittellinie. Wenn er nicht ausweicht, wird es knallen. Also ziehe ich die Kurve wieder enger, da ich fest davon ausgehe, dass er sich gerade im Tiefschlaf befindet. Warum fährt man sonst bei gerader Strecke bergauf direkt auf der Mittellinie?!

Naja. Die Kurve schaffe ich enger zu ziehen, nur leider kann ich dann nicht nochmal in die Gegenrichtigung „einschrägen“, da ich mich vorher schon auf dem hübschen hochgewachsenen Gras befinde, das auch noch einen Matschgraben verhüllt. Ganz, ganz langsam und mit entsprechendem Geschrei meinerseits landen wir also im Graben. All meine Gedanken konzentrieren sich vollends auf den Erhalt der Gabel, aber ich denke, nachdem wir erstmal gelandet sind nur: „So eine verbockte S…..! Die arme Gabel!! Dieser Vollpfosten an der Mittellinie!!! Und warum ist diese Bike immer noch nicht aus und ich muss auch noch den Kill-Schalter umlegen?!“

Ich bin echt sauer und steige erstmal aus dem matschigen Seitengraben, während mein Blick sofort auf den Mittellinienfahrer fällt, der inzwischen wie ein Unschuldsengel an der Leitplanke geparkt hat. „Da hättest Du mal fahren soll, Du Vollpfosten!“ – geht es mir durch den Kopf, aber ich bin ja nett und rufe nur: „Super, dass Du angehalten hast. Da haben wir wenigstens einen starken Mann, der das Bike wieder aus dem Graben holt!!!“ Und dann fällt erst mein Auge auf den Bereich hinter meiner armen, armen Suzi, die falsch rum im Graben geparkt ist und ich werde innerlich noch ungehaltener: Das Bike meiner Freundin liegt nämlich direkt in der Kehre?! Leider hat mich die Sprachlosigkeit nicht fest im Griff und so haue ich vorwurfsvoll raus: „Wieso hast Du Dein Bike da hingeschmissen???“ Und sie: „Ich hatte Angst, dass Dir was passiert ist und deswegen habe ich angehalten!“ – Heute bin ich nur von Bekloppten umgeben. Ganz klar.

Der Mittellinienfahrer und sie gucken mich irgendwie etwas betreten an. Sie ist ziemlich verdreckt, während ihre Maschine noch auf Asphalt ruht und tatsächlich einen ziemlichen Rundumschlag an Schrammen zu verzeichnen hat, wie sich später herausstellt. Der Mittellinenfahrer ist jetzt echt nervös. Auf der Bundesstraße hält auch noch ein Biker und ich brülle rüber „Ist alles in Ordnung! Der wird uns hier schon helfen, die Bikes aufzuheben!“ und zumindest der von der Bundesstraße kann dann weiterfahren.

Zuerst heben der Mittellinienfahrer, der sich als Niederländer entpuppt und meine Freundin ihre Maschine auf. Die beiden wuchten sie hoch, ich fange sie auf. Er meint doch tatsächlich, ich soll sie da erstmal hinstellen. In einer uneinsehbaren Abfahrt zu irgendeinem Dörfchen, abwärts und genau im Bereich einer nicht angekündigten Bodenwelle, während irgendeine Flüssigkeit am Motor runterläuft. Im Schieben ist meine Freundin nicht so fit, aber immerhin buchsiert sie ihre Maschine schonmal an meiner vorbei etwas weiter die Straße runter. Ich denk nur: Wenn sie die da stehen lässt, kann es gut sein, dass meine Maschine ihre mit auf den Weg die Straße runter nimmt, wenn wir Suzi aus dem Graben befreien. Aber bitte?!

Der Mittellinienfahrer und ich wuchten dann Suzi hoch, was echt ein Kraftakt ist, da sie mit den Rädern deutlich höher liegt als mit dem Rest. Meine Freundin wird sie auffangen. Ich richte mich schonmal geistig und krafttechnisch darauf ein, dass ich sie selbst vom tiefer gelegenen Graben aus halten muss. Suzi hat einen vollständig andere Massenverteilung als ihre eigene Maschine, die zudem auch noch mit massig Griffmöglichkeiten ausgestattet ist. So schnell wie möglich bin ich auf der linken Seite von meinem Bike, um es nach unten rollen zu lassen. Der Niederländer versteht nicht, dass ich das Bike über die Kupplung dirigiere und zerrt ständig an der Vorderradbremse. Was für ein Chaot. – Aber ich sage nix. Immerhin hatte er Kräfte genug, sie mit mir vorne am Lenker hochzuheben. Ich versichere ihm, ich lasse mein Motorrad nicht mehr fallen, ich will sie nur vernünftig hinstellen und dann verabschiedet er sich auch ganz schnell.

Nachdem ich die rechten Verkleidungsschrauben gelöst habe, um die Grasbüschel und den Dreck abzuzupfen und insbesondere die Spannung in einem fetten Riss in einem Verkleidungsteil heraus zu bekommen, fahren wir vorsichtig weiter. Die Lenkung ist super, aber optisch passt was nicht. Das Bike ist voll fahrtüchtig, wie ich feststelle, aber der Lenkungsdämpfer sitzt „anders“. An der nächsten Waldwegkreuzung, wo genau Platz ist, sie im Kreis zu schieben halten wir und finden dann auch den Auslöser der ganzen Plastikverspannungen. Nochmal alle Schrauben raus, ordentlich alles hin- und her gezuppelt und dann sieht die Lenkung auch optisch wieder ganz okay aus.

Weiter geht es in Richtung Edersee. An dem Tag waren wir übrigens alles in allem hinterher 8 Stunden unterwegs! Meine Freundin wunderte sich dann auch noch, dass ich die ersten uneinsehbaren Kurven jetzt so langsam nehme. – Hahaha! – Aber die Panik vor Gegenverkehr hat sich dann nach einigen Kurven doch wieder normalisiert und ich kann ihr auf den normal asphaltierten Strecken ohne Verkehr davon fahren, während sie Meisterin der Huckelpisten ist.

Bei diesen vier Tagen ist Suzi dann übrigens auch noch ganz unvermittelt auf die linke Seite geknallt. Meine Freundin war mit ihren ebenfalls kurzen Beinen bis auf 50 cm dicht zum Parken an mich heran gefahren. Das ist nämlich viel effizienter!

Während ich also gerade ordentlich „parken“ will, fängt sie an zu schreien: „Mist, ich kann die Maschine nicht halten! Ich krieg den Seitenständer nicht rauuuuuuus!“ – Nun ebenfalls von der Panik erfasst, am Ende zwischen beiden Bikes zu liegen, springe ich von Suzi beinahe ab, um meine Freundin zu retten. Den Absprung verkraftet dann mein Seitenständer nicht und sie knallt ungebremst nach links. Dass der Spiegelrahmen dabei bricht, bemerke ich erst vier Tage später, als das Sauerland erstmal wieder weit, weit hinter mir liegt.

Auf der Rückfahrt fährt dann ausnahmsweise meine Freundin, die ja Sauerländerin ist, vorne. Und da sie sich anscheinend auch nicht so richtig auskennt, will sie irgendwann von einer Bundesstraße nach rechts abbiegen. In eine Kehre, in ein Dörfchen namens „Kleinhuckelsberg“. Erstens ist es die falsche Richtung, zweitens reicht mir einmal dort im Graben gelegen zu haben. Ich winke ihr wie blöde von hinten mit beiden Händen zu – und fahre weiter geradeaus bis zu einem Parkplatz mit Glascontainern, der groß genug ist um entweder auf sie zu warten oder ganz in Ruhe erstmal den Weg nach Hannover zu inspizieren. Sie gehört zu den Harten. Sie fährt die Kehre, kehrt unten nochmal unten um und kommt dann auch zum Glascontainer. Ist ja super, dass sie nicht wieder in der Kehre angehalten hat, denn wo hätte ich da parken sollen, um ihr beim Aufheben zu helfen :P

Nach den vier Tagen verkünde ich bei der Verabschiedung: „Ich glaube, ich muss mich jetzt erstmal wieder etwas entspannen. Ich denke, ich werde mal sehen, ob Suzi und ich nicht eine hübsche Fahrt nach Lüneburg unternehmen!!“ (Für die, die es nicht wissen: Zwischen Hannover und Lüneburg gibt es zahlreiche gut geteerte Straßen mit herrlich weiten Bögen und wenn man die Herausforderung sucht, kann man zwischendurch immer mal wieder eine gerade Sandpiste befahren.)

Also echt, das war vielleicht eine Fahrt. Eigentlich sollte es in die Alpen gehen, aber wer weiß, wie wir dann zurück gekommen wären. Wahrscheinlich mit dem Abschleppdienst. – Das nächste mal nehme ich in jedem Falle ausreichend Panzertape mit!

Es grüßen Suzi und das Erdwesen

Über Erdwesen

Erdwesen ist ein Erdwesen! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Erdwesen schreibt aber auch noch in einer Reihe von anderen Foren und es gibt auch Foren, in denen sie sich so unbeliebt gemacht hat, dass sie dort heute besser nicht mehr schreibt.
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