Als erstes Event in der Saison 2016 hatte ich mit einer Freundin die „Sauerlandtour“ des ADAC Paderborn geplant. Sie war von den Instruktoren dort bei den Sicherheitstrainings so begeistert, dass sie mich davon überzeugen konnte, es doch noch einmal mit dem ADAC zu probieren. Bei der Anmeldung haben wir dann wohl überlesen, dass die Vorbedingung für die Teilnahme das Absolvieren eines ADAC-Vorkurses binnen Jahresfrist notwendig war. Den konnte ich nämlich nicht vorweisen, da ich meinen letzten und bis dato einzigen ADAC-Kurs in 2010 absolviert hatte. Auf Nachfrage unter Bennung der anderweitigen Trainings und der allgemeinen Fahrpraxis wurde ich dann aber trotzdem für eine Teilnahme zugelassen. Danke!!
Wir trafen uns bei meiner Freundin, die schon mit ihrer Honda NC 750 mit Doppelkupplungsgetriebe (also ohne Schalthebel, sondern mit Tasten zum Schalten am linken Lenkergriff, sofern keine Automatik aktiviert ist) im fetten Regenkombi über Leder wartete. Nachdem wir noch ihr Bike mit Tesa geflickt hatten – die Gute ist noch kleiner als ich und hat ihr tiefergelegtes Bike inzwischen mindestens vier- oder fünfmal im Stand zu Boden gehen lassen…) gings los in Richtung ADAC-Paderborn, dessen Übungsplatz sehr versteckt ganz hinten in einem Gewerbegebiet liegt. Wir waren die ersten, die eintrafen und legten erstmal unser Frühstück ein, wobei wir gleich unseren Instruktor kennen lernten, der selbst auf einer einer neuen 1000er Suzuki (diese Tourenversion GSX-F?) unterwegs war. In kurzer Folge trafen eine Kawa Z800 ein Chopper und zwei weitere sehr großformatige Tourer ein. Der Shopper-Fahrer hatte wohl einen Gutschein geschenkt bekommen, den er nun einlöste. War die letzte Maschine eine Street Triple?
Ich trug meine bisher wenig erprobte zweit-sommerlichste Textiljacke zusammen mit einer bewährten Cordura-Hose, die gelegentlich allerdings vor ihrer erneuten Imprägnierung zum Durchnässen neigte, sowie meine aktuellen Protektoren-Lederhandschuhe. An den Füßen hatte ich mich für die knöchelhohen Alpinestars entschieden, mit denen man am besten laufen kann. Insbesondere die Jacke ist nicht gerade das Outfit, mit dem ich mich langlegen möchte, da andernorts schon entsprechende Durchschleifexperimente wenig erfolgversprechend absolviert wurden – mit einer Vespa. Trotzdem war es an der Zeit, endlich mal die Regendichtigkeit dieser Jacke zu testen und dieser Tag schien bereits am Morgen wie dafür geschaffen und mit einem Instruktor vor der Nase durchs Sauerland sollte er eigentlich auch durchaus zu beherrschen sein.
Draußen sitzend machten wir eine Vorstellungsrunde und bekamen erklärt, wie der Tag ablaufen würde. Zuerste 2 Stunden Hütchenfahrt (aaarghs, hatte das so im Programm gestanden???), dann ca. 160 km durchs Sauerland und zwischendrin Mantaplatte am Diemelsee. Was waren denn unsere Ziele für das heutige Training? – Ha! Ich war 1a vorbereitet: „Ich will lernen wie man ordentlich in einer Gruppe fährt!“ – Einen Stöhnen ging durch die Mannschaft. „So ein Mist, dann können wir wohl den Spaß heute vergessen…“
Da wir mit der NC und Suzi ja in die Alpen wollen und ich unfähig bin, in einer Gruppe zu fahren, war das Training auch wirklich notwendig. Auf der Rennstrecke lasse ich einfach viel zu viel Sicherheitsabstand. Das hatte ich noch vom Nachbau des Hockenheimring in Papenburg in Erinnerung und auch am Bilster Berg war das ein echtes Problem. Und die Linie kann ich auch nicht halten… Als ich mit meiner Freundin in „einer Gruppe“ gefahren bin und sie zum ersten mal nach 8 Jahren auf ihrem ganz neuen Motorrad saß und ich mit der Ninja 250R hinterher fuhr, war das für mich ein echter Kampf – besonders von dem Moment an, als sie sich eingeschossen hatte. Als ich dann vorfuhr und ich die mir völlig unbekannten, uneinsehbaren Kurven bei schlechtem Asphalt auf der für Motorräder gesperrten Straße von Arnsberg nach Sundern noch mit einem Hauch von Denken nahm, beschwerte sie sich, dass ich zu langsam war – und das bei drei Schaltvorgängen pro Kurve. Als ich dann mit Suzi meine Weserbergland-Strecke vorfuhr, aber irgendwann an einer roten Ampel bremste, weil ich ja annahm, dass sie den Weg sonst womöglich nicht findet, wenn ich schon weiterfahre, bekam ich einen Stoß von hinten, den ich mir überhaupt nicht erklären konnte und auf meine evt. ausgerutschte Kupplungshand zurückführte. Erst an der nächsten Ampel gestand sie, dass sie mein „Nummernschild“ gerammt hatte… Wie sollen wir so gemeinsam bis in die Alpen kommen? – Wir können maximal unsere Bikes in rosa tünchen und Warnschilder anbringen. Also bot sich diese ADAC Trainingstour als optimale Alternative an.
Rauf auf die Bikes und fix runter zu den Hütchen, die schon auf uns warteten.
Erstmal gings immer links um den rechteckigen Hütchen-Parkurs. In welchem Gang fährt man mit einer Gixxe so etwas? Im ersten wird sie heiß, im zweiten noch heißer. Suzi und ich haben uns dann für das entschieden, was subjektiv gesehen leiser war. Eine Hand am Lenker, im Stehen fahren, rechtes Bein auf die linke Seite vom Sitz. Ich war froh, dass ich die leicht erhöhten Lenkerstummel hatte, aber begnügte mich, mein Bein auf dem Sitz zu platzieren. Ich muss einen guten Morgen gehabt haben. Es kam mir eine Balancierübung vom Body Balance in den Sinn. Dann hätte ich beide Hände am Lenker gehabt, stünde mit einem Bein auf der Fußraste und muss das andere nur waagerecht nach hinten abspreitzen, während ich mit dem Oberkörper passend zum Bein nach vorne gehe. Dazu kam es aber nicht mehr, weil wir nun Slaloms fuhren. Ich liebe Slaloms! Allerdings so sehr, dass ich mit zu hoher Geschwindigkeit ein Hütchen wegputzte. Also besser mal langsam, besonders wenn der Instruktor das auch schon anzeigt.
Die anderen Teilnehmer versicherten mir, man könne jederzeit hören, wo Suzi sich gerade befände. – Ich hatte mich schon gewundert, dass die anderen doch noch am Fahren waren. Aber Schalten für 20 oder 50 Meter? Ich überlege mir das nochmal, versicherte ich.
Dann kam das Thema Ausweichen dran. Zuerste selbstbestimmtes Ausweichen nur mit gezogener Kupplung. Dann Ausweichen, so dass man den Instruktor nicht überfährt (er zeigt per Hand an, wo er sich befindet). Diese Übung habe ich schon vor Jahren gehasst. Da sprang auch eine ADAC-Instruktorin vor uns herum und ich konnte mir überhaupt keinen Reim darauf machen. Sämtliche Teilnehmer überfuhren sie damals, was aber ggf. auch mit ihrer Persönlichkeit hat zusammen hängen können…
Dieser Instruktor lüftete aber das Geheimnis. Die Übung sollte uns nämlich zeigen, dass man nur bis zu einem bestimmten Grad überhaupt einem Hindernis ausweichen kann. Es geht darum, den Punkt zu finden, an dem man spätest möglich die Entscheidung – links oder rechts- fällen und umsetzen muss. Diese Entscheidung darf dann nicht mehr geändert werden, weil es dann kracht. (So habe ich es jedenfalls verstanden, Kundige mögen mich berichtigen). Der Instruktor hatte also absichtlich immer dann erst das Kommando gegeben, wenn es zu spät war und er sah, wir hatten links oder rechts angepeilt. In diesem Moment zeigte er in die andere Richtung. – Das wußte ich natürlich vorher nicht und schickte Suzi trotzdem nochmal in die andere Richtung, was sogar fast gelang – zu Ungunsten eines weiteren Hütchens.
Aber es kam noch schlimmer! Nachdem mir wieder klar war, dass man bei jeder Gefahr sofort die Kupplung durchzuziehen hat, kamen Bremsübungen an die Reihe. Bei denen habe ich immer versagt. Auf ganzer Linie. Immer. Außer bei der Führerscheinprüfung. Da gings noch.
„Da stehen zwei Hütchen. Wenn ihr zwischen den Hütchen seid, leitet die Vollbremsung ein!“
Der Instruktor brachte sich schleunigst in einen halbwegs sicheren Abstand. Nur mein Motorrad hatte mal wieder kein ABS und der Chopper wohl auch nicht. So ein Mist. Was für ein Tag? Warum war ich nur hier? Die anderen bremsten einer nach dem anderen in recht unspektakulärer weise. Zum Glück keine Überflieger trotz ABS. – Ich nahm mal meinen ganzen Grips zusammen und fuhr mit den vorgeschriebenen 50 auf die Hütchen zu und bremste. Plopp – und wir standen – zumindest schonmal in Rufweite des Instruktors, zu dem wir dann aber doch noch hinfuhren. Er hatte schon beängstigt das Gesicht verzogen. Wir hatten wohl leicht abgehoben. Was für Reifen? Ich liebe diese Metzeler. Ich liebe diese Brembos!
Okay, ich solle mal etwas gefühlvoller zuziehen. Zum Glück gelang auch das. Schlimmer werden konnte es doch eigentlich nicht mehr, oder?
Weit gefehlt!
Schritt-Tempo. Oh nein. Besitzt Suzi überhaupt eine Hinterradbremse? Ich hatte keine Ahnung, wie das funktionieren sollte, aber zum Glück machte unser Instruktor kein langes Geheimnis daraus. Irgendwie muss man die Kupplung ziehen, Gas geben und hinten Bremsen. Alles gleichzeitig. Wer soll da noch durchblicken? – Mein Bremshebel hinten war viel zu hoch, aber mit den Alpinestars gelang es noch gerade so eben. Und dann auch noch Schritt-Tempo-Slalom! Und der Instruktor geht auch noch nebenher! In der Fahrschule konnte ich das, also war es auch hier möglich. Hoffte ich. Mit >70 PS mehr als in der Fahrschule.
Das einzige Übel, was jetzt noch kommen mochte waren Wendemanöver. Zum Glück röhrten bereits die ersten Autos heran und wir mussten vorher vom Platz.
Wieder gings an den Terassentisch. Wir bekamen Halstücher geschenkt und mit Hilfe der Halstücher erläuterte unser Instruktor das Gruppenfahren. Der Vordere der Gruppe fährt immer links auf dem rechten Fahrstreifen. Er ist der Leithammel. Der zweite fährt rechts auf dem rechten Fahrstreifen und der dritte dann wieder links auf dem rechten Fahrstreifen. Kommt eine Rechts, welchseln alle die sich rechts befinden, links in Reihe und begeben sich nach der Kurve wieder in ihre Ausgangsposition. Kommt eine Links begeben sich alle nach rechts und begeben sich in Reihe, während sie die Kurve nehmen. Dann alle zurück auf Start usw. Die stets versetzte Fahrweise führt dazu, dass alle einen notwendigen Sicherheitsabstand zum Vordermann besitzen und den vorherlaufenden Verkehr ausreichend wahrnehmen können. An umschlagenden Ampeln wartet man auf den Hintermann, ggf. muss die Gruppe eine geeignete Stelle zum Warten suchen und nutzen. Die ersten beiden Personen sind die wichtigsten, da alle anderen deren Linie folgen.
Das könnte ja alles noch lustig werden. Nach einer Warnung, dass Innerorts vom Instruktor die vorgeschriebenen 50 in jedem Falle eingehalten werden, gings los. Einen Wehrmutstrophen gab es allerdings noch. Unser Gutschein-Besitzer und Chopperfahrer war allen ernstes mit völlig abgefahrenen Reifen zum Training gekommen. Fortan musste er als letzter fahren, da der Instruktor nicht riskieren wollte, dass wenn er rutscht, auch noch weitere von uns in ihn hineinfahren. Als es anfing zu regnen, wurde er dann komplett nach Hause geschickt.
In kürzester Zeit befanden wir uns in für mich vollständig unbekanntem Terrain, aber das Fahren war sehr entspannt, denn ich fuhr rechts auf dem rechten Fahrstreifen und konnte in Rechtskurven ja normal nach links wechseln. Schwieriger wurde es als ich einen Platz nach vorne rückte. Auf der linken Seite der rechten Fahrspur zu fahren ist nämlich etwas, was ich nie mache, wenn ich alleine fahre. Ich halte mich als typische Fahrradfahrerin immer rechts und ich meine auch, dass wir das in der Fahrschule zu gelernt haben, weil man als einspuriges Fahrzeug nicht unnötig mehr Platz verbrauchen darf als notwendig. Notwendig ist es eben in Kurven oder wenn man entsprechend zügig unterwegs ist, so dass „rechts“ nicht mehr „vernünftig“ wäre.
Ich war etwas schockiert, wie weit unser Instruktor in Rechtskurven links fuhr. Er hatte ja sehr großes Vertrauen zum Gegenverkehr! Auf breiten Sauerlandstraßen mag das klappen. Bei engen, uneinsehbaren Weserberglandkurven, wo ein Güllefass breiter ist als die Fahrbahn oder auch mal ein Sattelschlepper ankommt, wäre man des Todes. Ich denke, übertreiben darf man es nicht, aber es ging wohl mehr darum, frühzeitig in eine Kurve hineinschauen zu können. Das für sich genommen ist natürlich sinnvoll.
Die ausgefeilte Strecke war sehr gut ausgewählt und zeugte von großer Ortskenntnis, denn wir begegneten kaum jedwedem Verkehr. So langsam begriff ich dann auch, was er damit gemeint hatte, als er sagte, er führe innerorts aber in jedem Falle die vorgeschriebene Geschwindigkeit. Ich bin da ja arglos und wenn mir im Weserbergland wieder ein selbstgemaltes 30er Schild begegnet, dann will ich auch unbedingt den nachfolgenden Smiley. Leider gibts nicht viele Smileys im Sauerland und mit 50 bekommt man ihn ja auch gar nicht mehr, sondern nur mit 49! Manchmal habe ich aber auch 46er Tage, weil das irgendwie besser passt. So fuhren wir dann in jedem Falle die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 50, aber wahrscheinlich ist mein Tacho einfach zu überkritisch.
Dann kams, was ich schon den halben Tag befürchtet hatte. Unser Instruktor fuhr links auf einen Schotterplatz und wendete. „Das ist eine schöne lehrreiche Kurvenpassage. Und die fahren wir jetzt rauf und runter! Wendet irgendwo oben, wo der Waldweg reingeht oder wo es Euch angenehm ist!“ – Mir lief der kalte Schweiß runter. Wenden auf Schotter! Das stand so definitiv nicht im Programm, ich weiß es ganz genau. Dummerweise war ich direkt hinter ihm und wer weiß wohin es ginge, wenn ich mich dem Wenden versagte. Knirschend und leicht nachrutschend kam ich neben ihm zum Stehen. Etwas dicht. Aber enger hatte ich den Bogen nicht geschafft. Ich sah mich genötigt seinen irritierten Blick mit einem „Alles okay, bin nur etwas nachgerutscht…“ zu kommentieren.
Er fuhr vor zu einem Beobachtungsposten an der heikelsten Stelle der Kurvenkombination und wir folgten einer nach dem anderen. Als ich sah, wo die erste Großenduro wendete, wurde mir Angst und Bange. „Da definitiv nicht!“ Zum Glück gab es ein Stück weiter einen gepflasterten Garagenplatz mit eingebautem Gefälle zur Straße hin. Ich kann Suzi nämlich nicht rangieren, wenn ich darauf sitze, aber günstig ans Gefälle fahren und mit einem Bein manchmal am Boden zurückrollen lassen geht – meistens. Was für eine Aktion?! Und dann auch noch viermal! Die armen Menschen, denen dieser Vorgarten gehörte. Das keiner rausgsprungen kam, um uns beiden Kurzbeinigen zu helfen, war ein Wunder. Meine Freundin fuhr statt der Rangiererei einen engen Kreis bis vor die Haustür, den ich allerdings nicht zu schaffen vermochte.
Endlich gings streckentechnisch weiter und wir erreichten die nächste Kurvenkombi auf anderem Belag. Unser Instrukor bog in einen Feldweg, der in einem Mini-Tiefschotter-Wendehammer endete, wo zur Deko auch noch ein alter landwirtschaftlich genutzter Anhänger stand. Ich hatte ja einen Tross von starken Männern dabei, die Suzi sicher aufhelfen würden. Ich wendete. – Oh mein Gott! Das Gas riss auf als mir das Bike in der Endpostion angekommen fast wegrutschte, weil ich mit den Füßen auch nicht so richtig Halt fand. Dramatik pur. Das würde ich ganz sicher keine viermal machen! Ich zerschrappe mir nicht die ganze Verkleidung wegen „Wenden im Schotter“ für 120 Euro!!
Unser Instruktor fuhr wieder zu einem Beobachtungsposten und wir fuhren die Berg- und Tal Kurvenkombination bis zum oberen Wendeplatz, der großzügiger und Suzi-tauglicher angelegt war. Abermals unten beim Mini-Wendehammer angekommen, parkte ich, schob Suzi rum und saß erst danach wieder auf, wobei mir wieder das Gas aufging. Was für ein Ge-ochse! Nun fing es auch noch an zu regnen. Dann würde der Schotter schön matschig mit der Erde vermengt und das würde die Sache sicher leichter machen :-) Außerdem war ich schon den ganzen Tag über in Stimmung für Regen gewesen. Hätte ich lange Beine, ich säße auf einer leichten Enduro und würde mich im Schlamm suhlen. Genauso wie ich es als Kind schon mit dem Fahrrad gemacht habe oder als ich unsere Hunde zwang, mit mir in den Kanal voller schleimiger Schnecken zu kommen…
Nachdem ich mich nun schonmal in Position gebracht hatte, fuhr ich also nochmal los und der Regen wurde unversehens zu ununterbrochen herunterschnellenden Wassermassen. Gerade so wie unter einem Wasserfall. Richtig geil! Und die nagelneuen Metzeler hatten mein vollstes Vertrauen. Die waren ja fast noch besser als die Michelins auf meiner Baby-Ninja.
Dann ging es erneut auf den schrecklichen zu kleinen Feldweg-Schotter-Wendehammer, wo inzwischen natürlich auch die anderen standen. Das erleichterte mir das Wenden per Schieben, denn ich hatte ja nun ausreichend Zeit dafür.
Dann allerdings kam es zu einem Schauspiel, welches ich gebannt verfolgte, da ich so etwas als passionierte Fahrradfahrerin noch nie gesehen habe. Einer nach dem anderen packte in diesen tosenden Wassermassen seine Regenkombi aus. Ich sah völlig entgeistert zu und beobachtete gespannt die um mich herum ablaufenden Anzieh-Orgien. Wir waren doch nur im Sauerland und nicht auf Welt-Expedition und schließlich trugen doch alle bis auf meine Freundin sowieso Textil?! Dem letzten, der noch mit seiner Regenkombi kämpfte, wurde mein stummes Staunen wohl doch zu viel. Inzwischen hielt ich nämlich wartend meine leder-behandschuten Hände unter den alten landwirtschaftlichen Anhänger, denn solche Lederhandschuhe sind ja doch einigermaßen schnell versaut, wenn sie so richtig nass werden. „Auf was wartest Du denn noch??“, erscholl es voller Ungemach von meinem wasserscheuen Gruppenkollegen. Also sah ich mich genötigt, doch zum nächsten, gepflasterten Wendeplatz unter den Bäumen zu fahren, auf dem nun gewartet wurde und einige weiterhin mit ihrer Regenkombi beschäftigt waren. Dummerweise bekam ich den dämlichsten „Parkplatz“. Es war der letzte von dem ich immerhin annahm, dass ich ihn noch würde verlassen können, ohne das Suzi auf Nimmerwiedersehen eine Hofzufahrt hinunter bewegen würde, wenn ich mein von Hand durchgeführtes Wendemanöver anwenden würde. – Mittlerweile schauten mich alle anderen außer meiner Freundin an, als sei ich ein Alien. Mir ist erst später aufgegangen, warum. Wenn ich mit dem Fahrrad eine Tour von 60 km vor mir habe, dann nehme ich womöglich eine Regenjacke mit, aber doch nicht für knappe 200 km Motorrad! *kopfschüttel* Die Männerwelt von heute ist einfach verweichlicht. Aber daran haben die Frauen, die ihre Mütter sind, schuld. Arme Kerle.
Ein Schützenbruder unsere Instruktors wohnte wohl auf dem Hof, zu dem der Weg hinunter führte und tauchte zu einem Plausch im lauschigen Nass auf. Meine Freundin hatte ihre Honda so manövriert, dass sie zwar weit weg war, aber immerhin aufwärts zeigte, während ich mein komplexes händisches Wendemanöver einleiten musste und die anderen sich mit ihren Bikes sozusagen aus dem Staub machten.
Also versuchte ich mich zu beeilen und vergas exakt zu beäugen, ob ich auch wirklich seitlich nicht zu schräg stehe, um überhaupt wieder losfahren zu können. Dummerweise stand Suzi sehr schräg. Ich kriegte sie absolut nicht in die Vertikale, weil mir schlicht die Kraft und Beinlänge links fehlte. Also rief ich dem immer noch dort stehenden Schützenbruder zu, er möge mich doch bitte irgendwie auf die andere Seite schubsen. Aber deutsche Männer sind zimperlich, wenn es um das Anschubsen von nassen Frauen geht. Statt mir einfach einen ensprechenden Stoß gegen die Rippen, gegen die Schulter oder sonst irgenwohin zu geben, versuchte er, Suzis Heck zu beeinflussen. Das ist natürlich schwierig über einen sachten Heckschubser soviel Power aufzubauen, dass ich es mit zu kurzem linken Bein schaffe, sie endlich vom Ständer zu bekommen und rechts zu landen. Irgendwie gelangt es dann doch noch und im Davonbrausen samt erneutem, diesmal aber gefahrenem Wendemanöver in Richtung Straße zurück bedankte ich mich bei ihm für die Anschubshilfe. – Das wird noch ein lustiger Gesprächsstoff auf dem Schützenfest gewesen sein!
Da die anderen geduldig im Schritttempo davon geeilt waren, konnte ich sie alsdann einholen und es ging weiter mit unserer Sauerlandtour und Kurvenfahrt. Der Regen fiel nur so vom Himmel. Irgendwie mag ich solche Herausforderungen. Es ging weiter über Berg und Tal, durch Rechts- und durch Linkskurven. Ein aus meiner Sicht für dieses Wetter überflüssiges Überholmanöver leitete unser Instruktor auch noch ein. Leider passte die eingeschlagene Richtung nicht so ganz zu den verbliebenen Sichtmöglichkeiten durch meinen Helm und mir war während der letzten Saison bisher entgangen, dass meine Lederhandschuhe tatsächlich keinen Scheibenwischer besitzen. Zum Glück hielt der Helm dicht und die Brille blieb trocken.
Kurz vorm Diemelsee klarte der Himmel auf oder ich sollte wohl besser sagen: hatten wir die Regenfront überholt und konnten gut bedacht an der Frittenbude mit Lokus anhalten, um einzukehren. Das Essen war perfekt und der Preis sehr angemessen. Ich werde die Bude in jedem Falle wiedererkennen, wenn ich da nochmal vorbei komme! Kaum hatten wir unsere Bestellung aufgegeben, kam wieder das Unwetter und die neu angefertigte Überdachung hielt ihm auch tatsächlich stand, was nicht nur alle anwesenden Biker mit tiefer Freude erfüllte, sondern auch dem Schankwirt den Stolz in die feuchten Äugelchen trieb. Der Stausee schwappte ebenfalls nicht über und außerdem saßen wir ja leicht erhöht. – Was für ein Erlebnis. Wenn beim nächsten mal noch die Geräuschdämmung für das Dach eingebaut ist, dann wird sogar eine Unterhaltung möglich sein!
Nach dem Essen klarte der Himmel ein wenig auf, was die anderen anwesenden Biker ermunterte, wieder Fahrt aufzunehmen und wir starteten letzten Endes dann auch wieder voll durch, was dazu führte, dass meine Freundin einige Autos und Bullis lang abgehängt wurde. Irgendwann wartete die Männerriege dann auf uns, nachdem ich einen Bulli zum Überholen ermutigt hatte, weil ich sie ungern ganz allein zurücklassen wollte. Passiert wäre ihr vermutlich nichts. Sie ist ja im Sauerland groß geworden und findet sich auch so zurecht.
Jemand musste dringend tanken, aber die Tankstellen sind wohl nur mäßig dicht gesäht, im Sauerland. Natürlich wusste unser Instruktor Rat und lotste die Crew zur nächsten Tanke mitten in einem Ort. Schon wieder wenden auf der Fahrbahn. Justamente, als ich rumziehen wollte, war urplötzlich ein anderer doch noch im Weg und ich musste meine Aktion abbrechen und landete, unfähig das Bike noch darauf sitzend von der Straße zu bekommen, als Sperrgut mitten auf der Hauptstraße. Meiner Freundin war es ähnlich ergangen, aber sie befand sich wieder in Fahrtrichtung und hatte den Bordstein in greifbarer Nähe. Ich klappte mal den Ständer raus, rangierte abgestiegen die Suzi in die neue Fahrtrichtung und half dann meiner Freundin vom Bike. Motorräder sind zum Fahren da und nicht zum permanenten Anhalten und Wenden…
Einige Zeit nach dem Tankstop hatten wir uns vom Regen frei gefahren und befanden uns an der nächsten Kurvenpassage. Mir stockte der Atem als unser Instruktor erneut in einen steil abwärts führenden, diesmal aber immerhin geteerten Feldweg einfuhr. Er führte zunächst nach unten, traf aber auf der nächsten Anhöhe auf den nächsten Feldweg, der kein Gefälle mehr aufwies und an dem für die zwischengeschaltete Theorie angehalten wurde. Es ging nun darum, diese sehr lang gezogene und ziemlich fiese Kurve ca. 5 mal von links und dann 5 mal von rechts her zu befahren. Wir machten also sozusagen 5 Runden in die eine Richtung – immer von Hauptstraße auf Feldweg, sammelten uns dann an der Feldwegkreuzung, um die Bikes zu wenden und dann allesamt die andere Richtung einzuschlagen. Unser Instruktor eilte voran zum Beobachtungsposten, um unsere Kurventauglichkeit zu begutachten.
Wie immer folgte danach die Kurvenbesprechung. Rechtskurven könne ich wohl besser als Linkskurven. – Ja, das war mir auch aufgefallen und wenn ich da nochmal hinkomme, dann werde ich die Linkskurven weiter üben. Es ist mir unerklärlich, warum ich diese Monsterkurve nicht in einem Zug durchfahren konnte, sondern nachträglich korrigieren musste! Meiner Freundin erging es noch schlechter, denn die war auch noch im Gegenverkehr gelandet, weil sie nicht mehr korrigieren konnte. Auch alle anderen erhielten eine genaue Analyse ihrer Fahrkunst und Hinweise zur Verbesserung derselben. Zwei Herren hingen ständig im Gegenverkehr und sollten tunlichst darauf achten, auch ihre angebauten Koffer auf ihrer Fahrbahnseite zu belassen. Auch mein „hochtouriges Fahren“ war den anderen ein Dorn im Auge, aber sind 8000 von 15300 Umdrehungen viel? Ich bin durch die Baby-Ninja so an hochtouriges Fahren gewöhnt, dass es mir immer noch schwer fällt, in den Opel-Tourenmodus zu schalten.
Ein Highlight gab es auf der nicht gerade weitläufigen Feldwegkreuzung dann doch noch. Meine Freundin war wie meistens wieder mal in der misslichen Lage, nur noch mit einer Fußspitze zum Stehen gekommen zu sein. Ich erblickte es schon von Weitem und überlegte fieberhaft, was jetzt zu tun sei, um der Honda den nächsten Umfaller zu ersparen. Die anderen waren bereits abgestiegen und wir würden hier länger verweilen. So eine einbeinige Spitzfußposition ist aber definitiv nicht unbegrenzt lange haltbar. Den Herren war das gar nicht aufgefallen, aber als ich es allein nicht schaffte, die Honda samt Fahrerin in einer günstigere Position zu schieben, weil es doch ein gutes Stück bergauf ging, rief ich das Grüppchen mal zum gemeinschaftlichen Schieben zusammen, was natürlich wieder mal ein entsprechendes „Hallo“ auslöste.
Nachdem wir alle noch unsere Navigationsgeräte daraufhin untersucht hatten, wie man bei einem Unfall denn am besten die Polizei über die augenblickliche Position verständigt, führte unser Instrukor uns dann zurück zum Fahrsicherheitszentrum Paderborn. Eine Abschlussbesprechung rundete den Tag ab und dann gab es bei leichtem Nieselregen auch noch Urkunden von unserem Hermann! Was für Schlussfolgerungen, wir denn alle so aus dem Tag und dem Erlebten zögen? Die anderen sahen mich in meiner zweitkühlsten Sommerjacke immer noch irritiert an. Und dann meinte Hermann: „Bei Dir ist wohl alles in Ordnung, bis…“ und ich ergänzte „jau, die Handschuhe! Die sind echt nichts für so ein Wetter. Normalerweise habe ich immer ein zweites Paar davon dabei.“
Zum Abschluss ermunterte uns Hermann noch via Facebook & Co. Werbung für seine Veranstaltung zu machen. Hermann, dieser Bericht ist nur für Dich :-)
Ich kann diese hoch interessante ADAC-Veranstaltung allen Reise- und Raselustigen nur wärmstens empfehlen. Es hat wirklich super Spaß gemacht!