Röhl, Klaus Reiner: Aufstand der Amazonen – Geschichte einer Legende (1982, 223 Seiten)
Das hat das Erdwesen ja einen illustren Autoren aus dem Bücherschrank geholt, wie sie gerade „im Internet“ nachlesen konnte, da wird es schon fast schwierig, noch eine neutrale Zusammenfassung des Buches zu geben.
Nachdem das Erdwesen nun drei vortrefflich recherchierte Abhandlungen über „alte Sachverhalte“ gelesen hatte, war dieses Buch ein herber Schlag ins Gesicht. In vier weiter unterteilten Kapiteln soll die geneigte Leserin also mit dem Reich der Amazonen bekannt gemacht werden und im Nachhinein stelle ich mir wirklich die Frage, warum Röhl das Buch überhaupt in irgendeiner Form gegliedert hat, denn beim Lesen ist davon kaum etwas zu bemerken.
So springt er munter vom Reich Alexander des Großen hinüber auf die Balearen, in den Kaukasus, nach Brasilien, nach Dahome, Peru, in die Karibik und dann nach Germanien. Dort jedoch nicht etwas zuerst in sein Heimatgebiet, sondern nach Böhmen und nach Dänemark, nach Schweden, nach Lappland, wieder in die afrikanische Wüste zum Atlas und von dort noch einmal über Griechenland mit Zypern zum Kongo und weitere Staaten, die es womöglich auf der heutigen Landkarte Afrikas gar nicht mehr gibt. Desgleichen passiert mit der zeitlichen Abfolge des Geschriebenen. So deckt er grob eine Zeitpanne zwischen 70000 vor Christus bis ca. 1977 ab, allerdings ebenso wenig chronologisch wie er irgendeine eine räumliche Sortierung einhält.
Das Erdwesen hat beim Lesen immer die Angewohnheit vor ihrem inneren Auge eine Landkarte abzubilden. Das war hier jedoch überhaupt nicht möglich, da es beständig nicht nur zwischen Kulturen, Orten, Kontinenten, sondern auch noch Zeiten hin und her ging.
Bei dem ganzen Durcheinander seiner Beschreibungen muss er dann wohl auch selbst irgendwann den Überblick verloren haben, denn es ist nicht unterscheidbar, was denn nun Mythos und was geschichtlich bewiesen ist. Aber er sagt ja auch schon im Titel, dass es hier lediglich um die „Geschichte einer Legende“ geht und auch da ist nicht klar, ob mir „Geschichte“ Historie oder Phantasiegebilde gemeint ist.
Da an ihm kein besonderer Schreiberling verloren gegangen ist – das Buch ist schließlich KEINE Übersetzung, sondern liegt in der ursprünglichen Sprache Deutsch vor – ist es um so schlimmer, dass er seitenweise Zitate aus anderen Büchern einfügt, die zwar deutlich als Zitat gekennzeichnet sind, jedoch wird mit keinem Wort erwähnt, aus welchem Buch oder wer eben dieses Zitat im Original gesagt oder geschrieben hat.
Ein dritter Aspekt macht das Buch dann endgültig zum Fall fürs Altpapier, denn Röhl lässt in keiner Weise einfließen, was denn nun seine eigene Meinung zum Geschrieben ist. Er macht keine Bewertungen, er zieht kein Fazit. Alles nur Geplänkel, verkauderwelscht und sammelsuriumiert. – Wenn ich auf seine Biographie sehe, dann kann ich nur vermuten, dass er durch seine Heirat mit Ulrike Meinhof in den 60ern und den „Sorgerechtsstreit“ um seine Töchter so dermaßen verunsichert ist, dass er nun gar nichts mehr zu sagen hat. Er war einfach zu vielen Amazonen ausgesetzt. Mehr eine Biographie und ein Sinnieren über das eigene Leben als eine „Geschichte einer Legende“.
Röhls Amazonen leben alleine im Staat, ohne Männer, die sie nur ab und an benötigen, um von ihnen später Kinder gebären zu können. So ähnlich muss auch wohl er sich gefühlt haben. Zwei kurze Ehen, drei Töchter und im Endeffekt ist er dann auf eine Griechin ausgewichen, die also aus einer rein patriarchalen Gesellschaft kommt und von der er damit nicht zu befürchten hat?? – Es ist nur eine Vermutung, aber welchen Grund könnte sonst ein Mann, erfolgreiche wie er, haben, über Amazonen zu schreiben???
Das Schlimmste ist, dass er soviel doppelt beschreibt. Da taucht es in einem Kapitel noch als Legende auf, die aber durch z.B. den Fund eines entsprechenden Grabes untermauert wird und auch im Schlusskapitel kommt nichts neues, außer, dass er nochmal das gleiche Grab, nun etwas genauer beschreibt! Letzten Endes könnte man den Inhalt des Buches wahrscheinlich auf 50 Seiten oder weniger schrumpfen.
————
Amazonenlegende:
Die ursprüngliche Gesellschaftsform der Menschheit basierte auf der Verehrung einer Muttergottheit. Da die Gottheit eine Frau war, wurde auch den Frauen innerhalb der Gesellschaft entsprechend Respekt gezollt. Erst seit 6000 Jahren begann, sich ein Patriarchat statt des bis dahin vorherrschenden Matriarchats mit weiblicher Erblinie heraus zu bilden.
Die Frauen begehrten aber unter der Männerherrschaft auf, deswegen wob die durch Männer dominierte Gesellschaft aus der tatsächlichen matriarchalen Gesellschaft eine abscheuliche, Frauen verachtende Legende, um ihre Herrschaft noch einmal besonders zu betonen.
Kriegerische Amazonen ziehen durch die Lande und greifen zivilisierte (d.h. patriachisch organisierte) Völker an, um sich in den Besitz von Reichtümern wie Edelsteine und Land zu bringen. Die Amazonen sind in der Regel ein nomadisierendes Volk (also sehr rückständig), obgleich sie die Fähigkeit hatten, Städte zu gründen. Gebären sie Kinder, so lassen Sie nur die Mädchen am leben, töten oder verstümmeln die Knaben (z.B. Arme und Beine auskugeln, ein Auge ausbrennen und den rechten Arm unbrauchbar machen). Im besten Falle geben sie die Knaben an die Erzeuger zurück. (Die Paarung findet einmal jährlich, auf der Südhalbkugel meist im April, statt.) Dabei gibt es zwei Verhalten gegenüber den Erzeugern: einmal wird permanent, außer zur Paarungszeit, mit ihnen Krieg geführt; es gibt aber auch die Variante, dass ausgerechnet jenes benachbarte Volk stets verschont wird.
Damit die Mädchen zu möglichst guten Kriegerinnen herangezogen werden können, wird ihnen die rechte oder linke Brust ausgebrannt, so dass „alle Kraft“ in die Schultern und die Arme wandere, damit sie dann besser Kämpfen können und beim Bogenschießen keine Probleme haben. (Männliche Logik, die ohne ein einziges Wimpernzucken des Autors nicht nur ein- oder zweimal dargelegt wird, sondern quasi von der ersten bis zur letzten Seite!)
Ein Fazit, welches der Autor zwar nicht zieht, aber die geneigte Leserin ziehen kann, ist dass die Amazonen immer schon weg sind, sobald jemand kommt und nach ihnen fragt. Das ist so in etwas wie das mit der „Spinne in der Yukkapalme“, nur in alt.
————
Um das Buch noch etwas aufzuhübschen, sind einige Abbildungen auf Hochglanzpapier im Innern enthalten. Sie passen aber mehr schlecht als recht zum Text. Des weiteren gibt es noch zwei Seiten „Literaturhinweise“ (aus denen hoffentlich die Zitate stammen) und eine Seite mit „Antike Quellen“. Auch das immerhin drei Seiten umfassende „Sachregister“ rundet den wissenschaftlichen Anstrich des Werkes ab.
Das Erdwesen hat bereits zu Beginn des Buches die all zu blumigen und sich auf Ewig wiederholenen Passagen überlesen, aber alles in allem, hätte sie dieses Buch wirklich überhaupt nicht lesen müssen. Keine neuen Erkenntnisse und zum Schluss noch die folgenden Sätze, nachdem ein deutscher Forscher Hans Hasso von Veltheim-Ostrau 1932 die letzten Amazonen ausgerechnet in den Berggebieten Südindiens vom Stamme Bhawana (da waren wir vorher noch nicht!) aufgespürt haben will:
„Amazonentum, das ist ein auf Gesellschaft und Staat zielender Aufstand, der sich institutionalisieren will als Frauenstaat, mit Umkehrung aller Werte. Das ist die kühne Vision von einer Gesellschaft, in der die Männer bestenfalls Diener und Sklaven sein können, in der sie nur gebraucht werden, um Nachwuchs zu zeugen in einer flüchtigen Vereinigung, die nicht Bestand haben darf, wenn nicht das Ganze gefährdet werden soll.
Doch der Gegenentwurf bleibt als Traum, als Haßtraum von Terror und Gegengewalt in der Tiefe des Bewußtseins lebendig, gleich den Träumen von Spartakus und seinen Gefährten, deren Sieg in immer neuen Blutbädern die Unterdrücker zu überbieten sucht.
Immer auf neue unterdrückt, wird dieser Traum von der Gegenherrschaft weiter geträumt werden, so lange es Ungleichheit und Herrschaft gibt – ein Traum, der nie aufzuhören scheint.“
Ohje. Das nächste mal lese ich eine wissenschaftliche Untersuchung zum Thema Matriarchat. So bleibt mir nur festzuhalten, dass vielleicht das von Röhl genannte Buch von Johann Jakob Bachofen „Das Mutterrecht“, Stuttgart 1861 interessante Kost sein könnte.