Gallez, Paul: Das Geheimnis des Drachenschwanzes (Westberlin 1980, 184 Seiten)

Gallez, Paul: Das Geheimnis des Drachenschwanzes – Die Kenntnis Amerikas vor Kolumbus (Westberlin 1980, 184 Seiten)

Schaut man im Internet nach, so hat sich Paul Gallez, belgischer Wissenschaftlicher in Argentinien, nicht viele Freunde gemacht mit seiner Forschung zum Thema: Wurde (Süd-) Amerika bereits auf Karten vor Kolumbus großer offizieller Entdeckung von Amerika im Jahre 1492 dargestellt?

Das Thema ist anscheinend deswegen heikel, weil dem Diffusionismus, dem oft rassistische und kolonialherrschaftliche Ansprüche unterstellt werden, unter „modernen“ Wissenschaftlern sehr unbeliebt ist. Dabei wird davon ausgegangen, dass es deswegen zur Ausprägung bestimmter (Hoch-) Kulturen kam, weil sich bestimmte kulturelle Errungenschaften, einmal in einem Teil der Erde erfunden, durch Ausbreitung der Kulturen durch Reisen oder Migration auch in solche Bereiche ausdehnten, in denen sich diese Errungenschaft entweder nie selbständig entwickelt hätte (ein Einwohner eines Haufendorfes in der Soester Börde hat keinen ursächlichen Bedarf an einem IPhone und würde es somit auch niemals erfinden wollen), aber diese Errungenschaft sich dann trotzdem dort etablierte (zwei der Erdwesen-Bekannten haben nur deshalb ein IPhone, weil sie damit in einem Falle Sonderangebote im hiesigen Aldi schneller aufspüren können, im anderen Falle, weil es einfach zum guten Ton gehört und man damit eben ein klein wenig „glänzen“ kann und zwei Bekannte haben nur deswegen ein IPhone, weil Ihre jeweiligen Ehepartner unbedingt eine neue Ausgabe davon „benötigten“, aber die alten Geräte eben noch nicht unbrauchbar geworden waren). Das nennt man also Diffusionismus. Das Gegenteil davon wäre, wenn einerseits Steve Jobbs sein IPhone entwickelt und für sich und seine Kollegen genutzt hätte, sich im Bereich der Soester Börde jedoch weiterhin jedwede Kommunikation per Papierflyer (Werbeprospekt) bzw. schriftlichen Briefwechsel abspielen würde (Isolationismus).

Paul Gallez weist eindrucksvoll nach, dass Südamerika bereits sehr lange Zeit vor Kolumbus im Denken der Handeltreibenden, der Forscher und Entdecker und natürlich besonders auch der Obrigkeiten vorhanden war. Durch sich ändernde politische Verhältnisse und andere daraus resultierende Überlebensstrategien einzelner geriet dieses Wissen dann jedoch insbesondere genau nachdem Kolumbus als Entdecker der neuen Welt gefeiert wurde, wieder in Vergessenheit.

Dieses kulturelle Vergessen, insbesondere für über 95% der Bevölkerung völlig irrelevanter Sachverhalte, kann man ja auch heute immer wieder beobachten. Milch kommt aus dem Supermarkt und Kartoffeln kaufen sehr fortschrittliche Menschen auf dem Wochenmarkt. Wenn sie dann im Schrebergarten welche anbauen wollen, dann fragen sie sich, wie das geht, statt einfach die ausgekeimten zu benutzen, die sie – gemäß den derzeitigen „Leitlinien“, dass ausgekeimte Kartoffeln nicht gesund sind – wegwerfen würden. Wann haben sie sich das letzte mal von jemandem erklären lassen, warum Kühe Milch geben? – Insbesondere Männer sind dann immer etwas pikiert, wenn man sie als Antwort fragt, wann denn ihre Frau zum letzten Male Milch gegeben hat. – Aber nun zurück zum Thema, ich denke das mit dem „kulturellen Vergessen“ ist nun dem geneigten Leser ausreichend klar vor Augen.

Kurz zusammengefasst: Bereits die Ptolemaios-Karten von Hammer (heute liegen die vier noch verbliebenen und unterschiedlichen Ausgaben in London, Leiden, Florenz, Yale) aus dem Jahre 1489 zeigen in Bezug auf die Ausgaben in Leiden und London das Innere des Südamerikanischen Kontinents aufs genauste, was das Gewässernetz und z.B. Seen wie den Titicacasee anbelangt.

Dies regt das Erdwesen natürlich wiedermal zu einer kleinen Anekdote an, denn auch sie begann schon in früher Kindheit Karten zu zeichnen. Feste Bestandteile einer jeden Karte waren Großbritannien (hier vornehmlich England, da die Tommys mit beständigem Gleichmut die hiesigen Äcker mit Panzern durchfrästen und das kleine Erdwesen schon früh vor herannahenden Tanks mit dem Fahrrad flüchten musste, da wieder NATA-Manöver gegen den Osten angesagt war), die selbst bewohnte Oikumene, Indien mit dem Ganges und Kalkutta. Später kam dann das Cowboy-Land hinzu. Wichtig waren jedoch vor allem – das stellte sich erst später heraus – zwei Seen. Eigentlich war es der Titisee, den Klein-Erdwesen jedoch mit dem Titicacasee verwechselte, was ihre Eltern aber lange Zeit nicht so richtig verstanden und das Erdwesen sich indes wunderte, was für weit gereiste Eltern es besaß. Tja, und wo war nochmal die Stadt, an der Männer ihre Frauen an der – äh – die Leine führen? – Es musste einfach alles so kommen, wie es kommen musste. Das Schicksal ist vorherbestimmt. Für jeden von uns.

Dieser Titicacasee ist nun also auf einer Karte von 1489 von Henricus Martellus Germanus (Heinrich Hammer) eingezeichnet. Ob der Zeichner, der beste (inhaltliche) Beziehungen nach Alexandria und Florenz pflegte, tatsächlich auch Hamm/Westfalen kam, ist leider nicht im Buch vermerkt, aber da man Westfalen stets an herausragender Position findet – egal wo oder wie – wäre das natürlich durchaus denkbar.

Jedenfalls hat Hammer einfach nur die XY-Angaben von Ptolemaios (2. Jh. in Alexandria) verwendet und daraus eine Karte gemacht. Hinzugefügt hat er natürlich aktuelles Wissen und das, was er noch so aus anderen Menschen und Dokumenten herausquetschen konnte. Im Endeffekt gab es dadurch vier unterschiedliche Karten. Warum es vier sind, das wird ebenfalls nicht gesagt. Aber: die Karten sind von sehr unterschiedlicher Qualität. Wahrscheinlich wird er es einfach so gemacht haben, wie jeder normale Mensch das macht, der aus Koordinaten eine Karten zeichnen muss: erstmal grob reinschreiben, was man alles hat (8000 Koordinatenpaare mit Bezeichnung per Hand – ohje!) und dann mal schauen, wo man was weglassen muss (Generalisieren) und dann wieder dazuschreiben… und nach einer stattlichen Anzahl von Versuchen sieht es dann irgendwann so aus, dass man es anderen Menschen zumuten kann. Wahrscheinlich hat er dann alle vier Karten verkauft. Den, den er für den Dümmsten hielt, dem hat er die schlechteste Version gegeben (Yale) und dem, vor dem er sich am meisten fürchtete, der hat die beste Version bekommen (Leiden, London). In Florenz (und Rom) war er ja zu Hause, da hat wohl das Mittelmaß ausgereicht, aber auch darüber lässt sich das Buch nicht aus.

Auf den beiden „guten“ Karten wird Südamerika als „Drachenschwanz“ Chinas dargestellt. Also einen über einen Isthmus mit dem mehr oder weniger chinesichen bzw. indischen Reich verbundene Halbinsel, denn alles, was man in Europa nicht so richtig kannte, war entweder China oder Indien.

Durch ein Verzerrungsgitter angewendet auf die Londoner Karte weist Gallez nach, dass es sich in der Tat bei der Darstellung des Drachenschwanzes um Südamerika mit Feuerland handelt. Gallez ist zusätzlich noch jemand, der sich mit Sprachen auskennt und so kann er auch diesbezüglich bestimmte Zusammenhänge erläutern und kommt zu dem Schluss, dass die Chinesen, die Ägypter und die Phönizier bereits Kenntnisse von der südamerikanischen Westküste hatten. Am eindrucksvollsten war für das Erdwesen zu lesen, dass die Ägypter tatsächlich etliche 3-Jahresexpeditionen dorthin (wahrscheinlich dorthin) schickten. Alle näherten sich Südamerika also über den Pazifik. Übrigens wurde Südamerika erstmals wieder Mitte des 19. Jahrhundert mit einer solchen Passgenauigkeit abgebildet!

Gallez geht dann noch weiter in die Frühgeschichte der Kartographie, die damals versehentlich noch Geographie hieß, zurück und verweist auf die Karte Al Hwarizimis und Marinos von Tyros. Problematisch wird die Lokalisiation eines Ortes mit dem Namen Kattigara. Da das alte Pergament zerschrammt ist, ist das Koordinatenpaar nicht eindeutig entzifferbar. Dummerweise liegen dazwischen einige Längen- und Breitengrade und auch das Gesamtsystem ist nicht so ohne weiteres in heutigen EPSG-Codes fassbar, wobei Gallez sein Buch mit Sicherheit ohne Hilfe eines GIS geschrieben hat!

So entwirft er zum Schluss seines Buches in vorbildlicher Art und Weise drei Hyphothesen von der Entdeckung Amerikas (Westseite) durch die Chinesen, die Ägypter oder die Phönizier. Deren gesammeltes Wissen spiegelte sich bereits in den älteren Koordinatenlisten der Welt und damit eben auch den ältesten Karten der Welt wieder.

Faszinierend!

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Im Nachhinein betrachtet ist es wieder mal ein glücklicher Zufall, dass das Erdwesen ein paar ausgelesene Bücher zum Bücherschrank brachte und mit diesem Buch als neuster Errungenschaft zurück kam. Hat sie doch erst kürzlich die Entdeckung Südamerikas von der Ostseite durch die Karthager bzw. Kelten gelesen. Hans Giffhorn zitiert Gallez übrigens nicht, aber beide weisen auf die phönizische Inschrift aus Paraiba hin, die man sich bis heute nicht erklären kann bzw. von der heute nur noch eine Abschrift existiert, deren Wahrheit periodisch angezweifelt wird. Es wäre sicherlich gut gewesen, wenn Gallez und Giffhorn sich mal zusammengesetzt hätten. Gallez ist laut Wikipedia jedoch 2007 gestorben, nicht aber so der feste Wille von Wissenschaftlern weiterhin danach zu suchen, wer Südamerika tatsächlich als erster „entdeckte“.

Mit modernen GIS-Techniken dürfte es ein Leichtes sein, die Koorindatenpaare aus grauer Vorzeit ein für alle mal in Bits und Bytes zu bannen, dann daraus eine Karte mit „anständiger“ Projektion anzufertigen, die gemalten aus 1489 drüber zu bappen und darunter ein vernünftiges Satellitenbild samt Höhenmodell, um für die Passgenauigkeit der jeweiligen Land/Wasser-Verhältnisse auch noch die jeweiligen Pegelstände in Betracht zu ziehen. Verbunden mit einem mehrsprachigen Gezetteer zu Wohnplätzen, die man für Südamerika bestimmt kostenfrei von der dortigen Katasterverwaltung beziehen kann… lässt sich dann auch Kattigara finden!

Okay. Ich bin jetzt ausgebucht bis zur Rente. Kann mir bitte jemand die Koordinatenpaare des Hammer, Ptolemaios, Al Hwarizimis und Marinos von Tyros zuschicken? Dann bräuchte ich noch einen hochauflösenden Scan der Londoner und der Leidener Ptolemaios-Karte von Hammer. Die aus Leiden ist sicherlich zu bekommen. Das haben die im ITC (http://www.itc.nl/) bestimmt schon untersucht, oder?

Als nächstes Buch müsste ich mich dann mit „Die Entdeckung von Amerika: Der Kulturdiffusionismus in neuer Sicht“ von Christine Pellech beschäftigen, aber das ist ausverkauft. Stelle es also bitte jemand in den hiesigen Bücherschrank!!

Puh, jetzt brauche ich was zur Entspannung…

Über Erdwesen

Erdwesen ist ein Erdwesen! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Erdwesen schreibt aber auch noch in einer Reihe von anderen Foren und es gibt auch Foren, in denen sie sich so unbeliebt gemacht hat, dass sie dort heute besser nicht mehr schreibt.
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