Betty Mahmoody: Nicht ohne meine Tochter, 1987

Es ist nun schon ein paar Wochen her, wo ich im Bücherschrank dieses recht zerschrappte und viel gelesene Buch fand. Da es damals so berühmt geworden ist, musste ich es jetzt auch mal lesen. Ist es ein empfehlenswertes Buch?

Eine Amerikanerin hat aus unerfindlichen Gründen einen Mann mit nicht besonders gutem Charakter geheiratet. Die Amerikanerin ist wahrlich ein „Kind des amerikanischen Traums“, denn so unerfindlich sind die Gründe für die Heirat eigentlich gar nicht. Schließlich ist der Mann, den sie geheiratet hat, ein Arzt und verdient eine Menge Kohle. So ein „Schnäppchen“ darf man sich nicht entgehen lassen, besonders dann nicht, wenn man es in der amerikanischen Gesellschaft zu Ansehen und Ruhm bringen möchte, wenn man darauf aus ist, besonders wohlhabende Menschen zu seinen „Freunden“ zu zählen und damit eben auch selbst „dazu“ zu gehören. Und ein Kind ist auch von Nöten. Schließlich wird der Mann dann ja auch in Zukunft ausreichend Verantwortungsgefühl zeigen. Leider wird es nur eine Tochter.

Es hat mich beim Lesen schon etwas irritiert, dass dieses Thema des Buches niemals irgendwo öffentlich diskutiert wurde. Es ging immer nur um das offensichtliche Thema, welches die die Autorin so eindrucksvoll schildert und die sicher den Graben zwischen den „christlichen“ und „islamischen“ Ländern ein paar Meeter tiefer und breiter hat werden lassen. Denn wer würde schon etwas mit Menschen zu tun haben wollen, die sich niemals waschen. stets nach Schweiß und Urin stinken, keinen angeborenen Grundinstinkt für persönliche Hygiene haben und außerdem den ganzen Tag in viel zu dicken Klamotten herumlaufen? Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die meisten Möbel verschmähen und ständig Geschirr und alles auf den Boden abladen. Dort wird auch gekocht und die Babys pinkeln direkt auf die Perserteppiche! Igitt – da muss man schon beim Lesen ordentlich lüften.

(Okay, das war 1987. Khomeini war in Amt und Würden und wir sahen tatsächlich abertausende von schwarz gewandeten Frauen Parolen schreiend und sich in einer Art Massenhysterie landsam und stetig fortbewegehend täglich in den Nachrichten.)

Das Buch ist lesenswert. Ja, ich denke schon. Es zeigt wunderbar, wie zwei Welten aufeinanderprallen. Und beide Welten sind schrecklich extrem. Auf der einen Seite haben wir die rückständige, hochgradig emotionale und religiöse, schmutzige Frauen- (und Männer-) Welt des Iran, auf der anderen das schnuckelig-biedere US Amerika mit seinem Streben nach Wohlstand und Mehr. Das muss schief gehen, denn wer ist schon so naiv wie eine Amerikanerin auf Brautschau? Erst nach dem ganzen Theater, was sie dann im Iran mit ihrer Tochter durchleben musste, ist ihr wohl selbst aufgegangen, dass der American Way möglicherweise auch nicht ganz der richtige sein kann. Aber ich finde es beängstigend, dass sie ihre Tochter vom Prinzip her genauso auf Amerika drillt, wie es die Familie des Vaters vermutlich mit ihr in Bezug auf den Iran vorgehabt hätte.

Störend an dem Buch ist, dass man daraus eigentlich nichts lernen kann. Es zeigt nicht eine Spur von Verständnis für eine andere Kultur, sondern die Kulturen und die darin lebenden Menschen prallen einfach nur aufeinander. Im Mittelpunkt stehen die Leiden der Autorin (und ihrer Tochter) und wenn man es mal aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, so geht es der Tochter nur deswegen so schlecht (sie schreit z.B. wenn sie in die Schule kommt), weil die Mutter ihr ständig eintrichtert, wie übel die ganze Situation ist und dass sie „entführt“ wurden und unbedingt wieder in die heile Welt „Amerika“ zurück müssen.

Es ist doch sehr schwer vorstellbar, dass eine normal denkende Person nach den ganzen Sachen, die sie schon zu Hause in den USA mit ihrem Gatten und dessen Geldnot-leidenden Verwandten erlebt hat, mit in den Iran fliegt und auch noch ihr kleines Kind mitnimmt, nicht aber die beiden älteren Söhne. Ich meine auch, dass ihr Argument, sie wollte so ihrer Tochter „die Freiheit“ bewahren auch nur ein Scheinargument ist, um sich selbst heute noch einigermaßen im Spiegel ansehen zu können. Irgendwie scheint es mir eine sehr amerikanische Geschichte zu sein. Sie könnte zwar auch hier passieren, aber ganz sicher nicht bei einer (angeblich) so gut gebildeten und leistungswilligen Frau, die zum zweiten Mal verheiratet ist, zwei Söhne hat und einen super Job und guten familiären Hintergrund. Ich meine, die Dame hatte Lebenserfahrung und war kein dummes Hühnchen – nach ihren eigenen Angaben kein dummes Hühnchen…

Wer seine Vorurteile entweder gegenüber dem Iran oder gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika untermauern will, kann eigentlich nicht auf die Lektüre dieses Buches verzichten. Auch ist es flüssig und gut geschrieben. Es ist interessant, wenngleich schriftstellerisch doch gelegentlich etwas „irreführend“. – Was ich damit meine?

Im Verlaufe ihres unfreiwilligen Aufenthaltes im Iran wird die Autorin von ihrer Tochter getrennt und von ihrem Gatten und dessen vom Prinzip her aufgeschlossener Verwandtschaft in deren Haus (einer Etage) eingesperrt. Dramatisch schildert die Autorin, wie sie sich dabei ängstigt, langweilt und nach einem Ausweg sucht. Sie knackt sogar das Schloss einer Aktentasche, um darin ein Telefon zu finden, mit dem sie irgendwo anrufen kann und sie leidet ja auch schreckliche Schmerzen, weil ihr Gatte sie grün und blau geschlagen hat, was er nach iranischem Recht ja auch darf. Schon wähnt man sie monatelang in Dauer-Not als man dann endlich – nach einer schier unglaublichen Anzahl von Buchseiten erfährt, dass sie nun fast eine Woche eingesperrt war, ohne ein einziges mal ihre Tochter zu sehen!! – Das war die Stelle, wo ich nicht mehr folgen mochte und wo mir klar wurde, dass dies wirklich eine amerikanische Geschichte ist.

Das Buch habe ich nur noch zu Ende gelesen, weil ich mich letzten Endes nicht unnötig durch zig hundert Seiten gequält haben wollte. Jetzt geht es zurück in den öffentlichen Bücherschrank. Eigentlich müsste man eine Warnung dran heften.

Über Erdwesen

Erdwesen ist ein Erdwesen! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Erdwesen schreibt aber auch noch in einer Reihe von anderen Foren und es gibt auch Foren, in denen sie sich so unbeliebt gemacht hat, dass sie dort heute besser nicht mehr schreibt.
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