Unser Leben im „Luxus“

Nun hat das Erdwesenendlich ein hoffentlich erhellendes Buch zu einem Thema gefunden, über das sie schon längere Zeit nachdenkt. Das erste Buch in diese Richtung war  das über die Eliten und die Frage, was denn eigentlich eine Elite sei. Das Buch führte letzten Endes aber weg von demjenigen Thema, über welches ich mir Gedanken machte.

Zum ersten mal wurde mir das Problem bewußt, als das ECE-Center am Hauptbahnhof in Hannover eröffnete. In diesem Einkaufszentrum wird man sozusagen in die schillernde Glitzerwelt des Konsums entführt. Es hat ein wenig etwas von einer „Flucht“ von „draußen“ ins Center. Im Center gelten andere Bedingungen, werden andere Menschen zu „Stars“ oder können sich als solche fühlen. Natürlich existiert diese erdwesensche Wahrnehmung heute immer noch, aber sie war stärker ausgeprägt, als sich das Erdwesen einige Tage nach der Eröffnung, in denen das ECE-Center hoffnungslos überfüllt war, doch noch zu „Studienzwecken“ hinein wagte.

Was für Menschen gehen in ein solches Einkaufszentrum?

Das ECE-Hannover gibt sich naturgemäß den Anschein, etwas Besonderes zu sein. Wie es in Hannover üblich ist, fehlt auch hier die implementierte „Fressmeile“ nicht, sondern liegt, ähnlich wie in Oberhausen, mitten im Herzen der Anlage. Sie hat allerdings in Hannover den unschlagbaren Vorteil, wesentlich leiser zu sein. Dabei sind die angebotenen Speisen nett aufgemacht und alles wirkt ziemlich modern und zeitgemäß, eben gar nicht so wie es mein gewählter Begriff der „Fressmeile“ es vermuten lässt.

Das ECE verfügte im Innern über zahlreiche Sitzplätze, in denen sich die (vermeintliche) High Society zur Schau stellen kann und genau das, war auch gleich zu beobachten. Leute, die definitiv nicht „viel“ Geld haben, flanieren durch das ECE und genießen den Luxus. Sie alle fühlten sich sehr wohl, denn es war allen gleich an der Nasenspitze anzusehen und daran konnte das Erdwesen wahrlich seine Freude haben, denn Sinn und Zweck eines weiteren Einkaufszentrums waren ihr bis data verborgen geblieben.

Okay, das Erdwesen hat bisher recht wenig in diesem Einkaufszentrum geshoppt. Alles in allem kommt sie auf erstaunliche 3 Fruchtsäfte, ein Päckchen Ohrenstöpsel, einen oder zwei Liter Milch sowie drei Computerbatterien. Nein, ich glaube, ich habe mir auch einmal Chinesische Nudeln mitgenommen. Wenn alle Leute so dermaßen zulangen, ich glaube, das Center müsste bereits langs Pleite sein.

Übrigens ist es bereits in den ersten paar Monaten dann wirklich bei drei Fruchtsäften geblieben, weil mir ein lästiger Verkäufer unbedingt irgendein Öl (Traubenkernöl) in den frisch gepressten Saft kippen wollte, weil sonst ja die Vitamine unzugänglich blieben. Hätte er das einfach gemacht, ich hätte es vermutlich gar nicht gemerkt. Aber er machte den Fehler und fragte vorher, ob er das Öl reinkippen sollte, was mir total ekelig vorkam und so rief ich völlig entsetzt „nein!“. Daraufhin redete er auf mich ein, dass das aber „total“ notwendig sei, bis ich dann aufgab und er vor meinen Augen entsetzlich viel davon in „meinen Saft“ rinnen lies. Das Ölzeugs muss viel billiger sein als die ausgepressten Fruchtbestandteile. Eigentlich hätte ich ihn mit dem Saft stehen lassen müssen, aber ich bezahlte aus alter Gewohnheit und musste dann bei jedem Schluck mit Ekel daran denken, woraufhin ich beschloss, dass ich am verdursten sein muss, bevor ich da noch jemals wieder etwas trinke!!

Aber kommen wir zurück zum Thema.

Das ECE-Center zieht Leute an, die in Luxus schwelgen möchten. Die Sache hat nur einen Haken: denn es findet sich kein Luxus im ECE-Center. Es handelt sich um eine reine Glitzerwelt.

Natürlich kann man einen BH für 80 Euro+ kaufen und womöglich eine güldene Kette für 500 Euro oder eine Handtasche für 250. Aber alles in allem, findet sich eben kein „Luxus“, sondern nur Luxus auf unterstem Niveau. Eine Art „Luxus für Arme“, der vor allem glitzerig aussieht, sich aber letztlich auf Halbedelsteine oder Zirkonia beschränkt.

Auch haben die ECE-Betreiber offenbar ganz gute Ideen, den Besuchern, immer wieder etwas Besonderes zu vermitteln. Beisielsweise war der Einfall mit den zur Schau gestellten alten Rennwagen im Innern nicht schlecht, aber als ich das letzte mal da war, hatte sich an gleicher Stelle ein Sportgeschäft breit gemacht und verkaufte Sonderangebots-Turnschuhe. Mensch! Die habe ich in meiner Liste vergessen! Ich glaube, bezahlt habe ich 15 Euro.

Vom rein sozialen Standpunkt aus betrachtet ist es egal, ob der dargebotene Luxus nun „echter Luxus“ ist oder aber eine Art „Pseudo-Luxus“, um auch denjenigen ein zufriedenes Gefühl zu vermitteln, die sich wirklich nicht mehr leisten können. Das Hauptargument für die Einrichtung des ECE-Centers ist, dass es Menschen gibt, die sich darin wirklich wohl fühlen und die gerne dort shoppen gehen, um sich das ein oder andere zu gönnen. Ihnen wird durch das ECE-Center das Gefühl vermittelt, am Luxusleben, von dem sie sonst nur in der Regenbogenpresse oder bei den Geissens erfahren, teilhaben zu können. Und Teilhabe ist soziologisch betrachtet, eine ganz wichtige Sache, die der Zufriedenheit dient.

Und dann gibts noch eine andere Erfahrung, die ich gemacht habe und ich werde diese Gruppe von Menschen an dieser Stelle nicht explizit nennen, da ich mit vielen von Ihnen in der ein oder anderen Form zu tun habe. Dadurch wird meine Beschreibung natürlich komplett abstrakt und die meisten werden sich doch darin ohnehin wiedererkennen.

Diese andere Gruppe von Menschen, ist durchweg wohlhabender als die Gruppe, die das ECE so mag. Sie tragen Markenklamotten und besitzen bestimmte technische Assessoires, die für ihr Leben unter anderem darum wichtig sind, weil diese ihrer Selbstdarstellung dienen. Dazu kommt meist noch ein vierräderiges Fahrzeug, welches ebenfalls makellos ist und spezielle Vorzüge besitzt, um das geführte Leben zu arrangieren. Gleichgültig, ob es sich bei diesem zweiten Personenkreis um Leute mit oder ohne Eigenheim handelt, aber die Gruppe stellt deutlich zur Schau, dass sie zufrieden ist, dass sie dazu gehört und dass sie natürlich gesellschaftlich oberhalb der ECE-Besucher anzusiedeln ist. Natürlich weiss niemand, wie der tatsächlich finanzielle Hintergrund hier beschaffen ist, aber durch Auto und Haus müsste das gröbste ja noch gedeckt sein.

Wenn ich so recht überlege, so gibt es natürlich noch weitere Gruppen. Da hätten wir z.B. diejenige Gruppe von Menschen, die man z.B. auf einem Springreit-Turnier trifft. Sie haben andere Assessoires, andere Marken und zumeist auch noch einen Jagdhund dabei. Die Autos sind größer und beim Eigenheim spricht man doch besser von „Grundbesitz“.

So ist denn jeder zufrieden in seiner Welt. Die einen Flanieren im Einkaufszentrum und machen sich einen schönen Tag, die nächsten lieben es, mit ihren Technikerrungenschaften durch die Welt zu ziehen und die Dritten plaudern angeregt über die neuste Krankengymnastik-Therapie für ihre Vierbeiner und darüber dass Schulte-Bohnenkamp doch schon wieder einen ganz guten Erlös für Orlando Ps Nachwuchs bekommen hat.

Zeitgleich wird die Luft zum Atmen für jede Gruppe dünner. Doch die Gruppen bemerken es gar nicht, denn man ist partout nicht so wie die andere Gruppe. Es geht einem schließlich gut und darum ist man auch mit allen Entscheidungen zufrieden, die die Hartzer in ihre Schranken weist oder einem selbst einen kleinen Obolus zum (vermeintlichen) Wohle aller abverlangt.

Dabei fällt mir gerade ein, dass vor vier Tagen erstmals Super für über 1,70 Euro verkauft wurde. Heute kostete Super Plus immerhin schon 1,80. Das ist wahrlich ein historischer Tag!

Die Frage, die mich also interessiert ist, warum um alles in der Welt, gibt es nicht schon lange eine Revolution? Warum ist jede Gruppe immer noch zufrieden? Warum wird so getan, als wären die einzigen, die sich beschweren, Aussätzige, unverbesserliche Linke oder faule Hartzer? – Dabei ist doch ganz klar, dass es weit über der Hälfte der Bevökerung immer schlechter geht, dass das tägliche Leben für jeden immer mehr zu einem dauerhaften „Abkämpfen“ für den Einzelnen wird, während alte soziale Sicherungen, sich immer mehr in Wohlgefallen auflösen. Ja, sie scheinen sich wirklich in „Wohlgefallen“ aufzulösen, denn das ist das, was offenbar die Mehrheit der Bevölkerung empfindet, auch wenn dem nicht so ist.

Und hier setzt jetzt hoffentlich diese neue Buch an. „Ein teurer Irrtum!“ Das Erdwesen ist gespannt.

Über Erdwesen

Erdwesen ist ein Erdwesen! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Erdwesen schreibt aber auch noch in einer Reihe von anderen Foren und es gibt auch Foren, in denen sie sich so unbeliebt gemacht hat, dass sie dort heute besser nicht mehr schreibt.
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