Der schleichende Tod von Fukushima

Nachdem das Erdwesen gestern Abend die Adressen frührer Brieffreundinnen aus Japan noch einmal hinsichtlich ihrer Lagebeziehung zum außer Kontrolle geratenen Atomkraftwerk Fukushima I verglichen hat (eine war aus Tokio, ein zweite leicht südlich von Tokio, eine von der Nordinsel Hokaido und eine weitere aus dem äußersten Süden), wird es nun hohe Zeit aufzuschreiben, was aufzuschreiben ist.

Am Sonntag brach der Greenpeace-Server offenbar unter der Last der Anfragen zusammen und auch der Webserver des BMU hatte Probleme. Mittlerweile aktualisiert das BMU in unregelmäßigen Abständen den „Lagebericht“ zu den japanischen Reaktoren und führt zudem auch eine Historie. Das ist ungewöhnlich, aber man will sich auf keinen Fall, in die Lage bringen, etwas nicht zu schreiben oder etwas, vielleicht auch versehentlich abzuändern, was dem Umweltministerium womöglich negativ ausgelegt werden könnte. Schließlich haben wir in Deutschland derzeit eine Regierung, die die Atomindustrie hätschelt und pflegt und wo sogar Ex-Ministerpräsidenten in derlei Vorstände wechseln, um ihr ehemals karges Beamtengehalt aufzubessern, bevor sie dann endgültig in Rente gehen.

Vor 25 Jahren, als uns die Katastrophe von Tschernobyl heimsuchte, war die Berichterstattung ein einziges Chaos. Messungen wurde überall und nirgends durchgeführt. Kein Mensch wusste, was zu tun ist. In der Schule hatte das Erdwesen gerade erst gelernt, dass bei einem Super-GAU eigentlich sowieso alles zu spät ist und sie erinnert sich noch gut, wie die ganze Klasse den Erdkundelehrer mit Fragen bombardierte. So wird man wohl zur Geographin.

Diesmal ist das Unglück zu unserem Glück weit weg. Wir müssen nicht in Panik geraten, wir können uns zurück lehnen, wir können uns die Zeit nehmen, nachzudenken. Wir haben es nicht mit irgendeinem Land zu tun, sondern mit Japan. Dem womöglich einzigen Land der Welt, welches genauso verhasst ist, wie Deutschland selbst und einem der wenigen Länder, die auch in den 80ern zu den deutschfreundlichen gehörten. In Japan wurde die Yashica vom Erdwesen hergestellt und auch der größte Teil ihrer Pioneer-Stereoanlage ist noch „Made in Japan“. Die Ninja stammt zwar aus Taiwan, aber ist dennoch ein japanisches Fabrikat. Immerhin. Und nun havariert dort ein Reaktor und niemand weiss, wie lange die 50 verbliebenen Arbeiter im Atomkraftwerk von den einst 800 die Dinge noch überhaupt regeln können. Den Reaktor 2 haben sie bereits aufgeben müssen. Die Strahlung war zu hoch. Es ist kaum vorstellbar, wie diese Techniker ausharren, obwohl keiner von ihnen ohne Folgen wird weiterleben können. Das ist eine andere Form des Kamikaze-Flugs, der die Welt einst in Angst und Schrecken versetzte und für den die Japaner berühmt geworden sind. Eine Eigenschaft, die jetzt vielleicht große Teile der Bevölkerung zu retten vermag. 35 Mio. Bewohner des Großraums Tokio kann man nicht so einfach evakuieren. Und wenn man es schaffte, wohin sollte man sie bringen?

Doch noch einmal zurück zum Lagebericht des BMU. Ich habe die Graphiken von dort, die die Messungen rund um das Atomkraftwerk zeigen, auch auf dieser Server hochgeladen, da man im Web nie weiß, wie lange sich so etwas auf einem fremden Server hält:Lagebericht Messung 1

Bei der Veröffentlichung der ersten Graphik hat das Erdwesen die Beschreibung Ihres Geigerzählers hervor gekramt. Der Gute liegt in seiner Ecke und zeigt heute 0,09 µSv/h an. Wenn es regnet können es auch schon mal 0,17 µSv/h sein. Und dann vergleichen wir mal diesen Wert mit denen auf der Y-Achse (hochkant) dieser Graphik… All diese Werte hätte der Gamma Scout auch noch messen können. Erst ab einem Wert von über 1000,00 µSv/h ist dieser Geigerzähler quasi machtlos und zeigt, dass er höhere Werte nicht mehr messen kann. Dann sollen auf seinem Display nur noch Ns stehen. Erdwesen will hoffen, dass Sie diesen Fall aber auch wirklich NIEMALS erleben muss.

Lagebericht Messung 2

Und nun werfen wir einen Blick auf die nächste Graphik. Da zeigt die Skalao schon satte 3500 µSv/h an. Nun zitiere ich mal die Betriebsanleitung des Gamma Scout:

„Für Personen, die beruflich in der Nähe von Strahlungsquellen arbeiten, gelten in der EU zwei Obergrenzen“. Bei 2000 Arbeitsstunden dürfen durchschnittlich 3 µSv/h anfallen (Kategorie B) oder aber 10 µSv/h (Kategorie A).

Für ganz normale Bürger gelten natürlich viel geringere Werte. Bei Strahlengrenzwerten ist es übrigens so, dass jegliche Strahlung gefährlich ist.Deswegen gilt auch: je weniger Strahlung man abbekommt, desto besser. Es ist dabei egal, woher die Strahlung kommt. Viele Leute glauben ja, dass die „natürliche Hintergrundstrahlung“ überhaupt kein Problem darstellt. Dem ist aber nicht so. Man hat einfach nur Glück, wenn man in Norddeutschland wohnt, wo es viel weniger Hintergrundstrahlung gibt als beispielsweise im Erzgebirge. Dann ist natürlich auch noch die Strahlung in unterschiedlichen Wohnungen unterschiedlich hoch. Das liegt an den Steinen, aus denen die Wohnung gebaut wurde. Wenn man z.B. schöne italienische Fliesen im Badezimmer hat, dann kann es sein, dass das Badezimmer ein hoch belaster Raum der Wohnung ist. Das liegt daran, dass die Substanzen, aus denen die italienischen Fliesen bestehen meist auch dort abgebaut werden, wo sowieso relativ hohe Strahlung im Gestein zu finden ist.

Lagebericht Messung 4

Und dann mit der nächsten Abbildung traf das Erdwesen sozusagen der Schlag. Die Y-Achse zeigt allen Ernstes 14000 µSv/h.

Lagebericht Messung 5

Es ist einfach nur erschreckend. Wer von so einem hohen Ausstoß an Strahlung getroffen ist, müßte fast gebraten werden. Keine Ahnung. Schrecklich.

In Tschernobyl rettete einzelne Menschen oft nur ein Standort einige Meter entfernt von einem Menschen, der einer sehr hohen Strahlendosis ausgesetzt war. Deswegen muss man genau wissen, woher sich z.B. radioaktive Wolken bewegen. Deshalb wurde nach Tschernobyl ein Messstellennetz in Deutschland installiert, mit dem man radioaktive Wolken ganz genau beobachten kann. Es führt ein stilles Dasein und kaum jemand hat davon bisher Notiz genommen. Die Karte ist auch zum Glück total langweilig und ich will hoffen, dass diese Karte für immer und ewig genau so langweilig bleibt wie sie es ist. Das Messtellennetz des Bundesamtes für Strahlenschutz findet man wie viele Dinge im Internet. Wer sich für das ganze Drumherum insteressiert, kann sich auch das anschauen.

Was aber wäre, wenn wir dieses Internettool wirklich brauchen, weil in Deutschland ein Atomreaktor außer Kontrolle gerät? Viele nicht auch der Strom aus? Funktioniert dann das Internet noch? Was bringt dieses System uns als Bürgern?

Die Sirenen des Kalten Krieges, mit denen das Erdwesen noch aufwuchs, gibt es nicht mehr. Normaler Fernsehempfang wurde durch DVB-T ersetzt und die Radios von heute haben in der Regel einen grottigen Empfang.

Schrecklich, was in Japan passiert. Man kann den Kamikaze-Ingenieuren nur wünschen, dass Sie lange durchhalten und dass am Ende der Katastrophe noch genug Japaner übrig sein werden, um diesen Menschen ein Denkmal zu setzen. Vielleicht ein Denkmal so wie das, was uns heute noch an Hiroshima erinnert.

Über Erdwesen

Erdwesen ist ein Erdwesen! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Erdwesen schreibt aber auch noch in einer Reihe von anderen Foren und es gibt auch Foren, in denen sie sich so unbeliebt gemacht hat, dass sie dort heute besser nicht mehr schreibt.
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