Polly Evans: Wo die echte Kerle wohnen – Eine Frau auf Motorrad-Safari durch Neuseeland

Evans, Polly: Wo die echten Kerle Wohnen – Eine Frau auf Motorrad-Safari durch Neuseeland
(Englischer Titel: Kiwis might fly. Around New Zealand on two big wheels.).

Lesezeit: an 3 aufeinander folgenden Tagen

Dieses Buch fand das Erdwesen auf dem Wühltisch. Länderbeschreibungen sind immer nett, also griff das Erdwesen zu. Große Erwartungen an das Buch hatte sie nicht. Und tatsächlich beschreibt die Autorin nur Ihre Reise von Nord nach Süd einmal quer durch Neuseeland. Als Aufhänger nennt sie den angeblich aussterbenden Neuseeland-Mann, von dem die Autorin in einer Zeitung gelesen hatte und sie möchte nun prüfen, ob er wirklich vom Aussterben bedroht ist oder ob sie ihn doch noch irgendwo in der Wildnis aufspüren kann.

Das Buch ist weder wirklich gut, noch schlecht. Erkennbaren Sprachwitz gibt es nicht und auch der Satzbau ist nichts außergewöhnliches, was den Leser in irgendeiner Art und Weise fordern könnte. Das mag aber möglicherweise an der Übersetzung ins Deutsche liegen, denn da hat der Verlag sich wohl gedacht, dass die Deutschlesenden eher auf „Wo die echten Kerle wohnen“ stehen als auf die Aussage „Kiwis might fly“. Wer weiß auch hier zu lande schon, dass Kiwis, den Pinguinen ganz ähnlich, auch nur laufen können, aber keinesfalls fliegen?! Das ewig wiederkehrende Thema mit den „echten Kerlen“ wirkt aus dieser Perspektive ein klein wenig – ja was? – unpassend, aufgesetzt, seltsam – aber nun gut.

So beginnt denn die geneigte Leserin mit der Lektüre und gleich auf den ersten Seiten weiß sie nicht so recht, ob sie das arme Menschenkind, welches nun ausgrechnet ihre ersten Fahrversuche nach dem Führerschein auf dem Motorrad am anderen Ende der Welt aus machen muss, bemitleiden oder beneiden soll. Letzten Endes ist es wohl eher Mitleid und die ungelöste Frage: Wie kann es sein, dass ein Motorrad keinen weiteren Schaden außer einem zerbrochenen Topcase nimmt, wenn es ständig umfällt?! Spiegel und Hebel sind möglicherweise nicht so wichtig, auf den verkehrsarmen Straßen der Nordinsel… aber zum Glück findet die Autorin immer noch irgendwen, der ihr beim Hochwuchten der Maschine, einer 650er Suzuki Freewind, zur Seite steht.

Das Verhältnis zwischen Motorrad und der Autorin ist ein herzliches und zugleich im Verlauf des Buches sehr schon dargestelltes und facettenreiches. Sie spricht mit ihm und tätschelt es oder beäugt es wie einen ernstzunehmenden Gegner. Da gerät die Schilderung der neuseeländischen Nordinsel das ein oder andere Male fast in den Hintergrund. Als wäre die Auseinandersetzung mit dem Motorrad nicht schon schlimm genug, kommt dann auch noch die Auseinandersetzung mit dem neuseeländischen Lebensstil hinzu. Freundlichkeit, harte Arbeit und ein Alkoholkonsum, der seinesgleichen sucht. Erdwesen hätte vielleicht die Motorradfahrt geschafft und auch das Wolle-Auflesen, ganz sicher aber nicht die zahlreichen Biere, zu denen sich die Autorin genötigt sah. Englische Frauen scheinen doch trinkfester zu sein als ihre männlichen Landsleute.

Auf der Südinsel wird dann alles besser. Endlich kann die Autorin Vertrauen in ihre Fahrkünste fassen und sich so mehr Zeit für die Beschreibung der Landschaft und der Neuseeländer/innen nehmen, die sie auf ihrer Reise trifft. Fast hat man den Eindruck, sie wird von Bekanntem zu Bekanntem weiter gereicht. Die Fahrt muss lange dauern, aber wie lange genau, das hat das Erdwesen wohl überlesen. Ein paar Monate soll die Reise dauern und das tut sie dann auch wohl.

Viel interessanter als das Buch muss die Persönlichkeit der Autorin sein, die sich waghalsig ins Abenteuer stürzt und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und mit all ihrer Kraft versucht, einen wahrhaften Eindruck von Neuseeland zu bekommen und zu vermitteln. Es ist eine Reisebeschreibung mit dem Fokus auf die Menschen Neuseelands und doch hat das Erdwesen den Eindruck, dass diese Reisebeschreibung nur für die Autorin genau so wirken kann wie sie es tut. Ein normalsterblicher Neuseeland-Reisender wird kaum so viele Experimente machen, wie die Autorin beispielsweise bei den Schafscheerern. Da bleibt es dann für Nachahmer wohl eher bei der Betrachtung der atemberaubenden Landschaft und der neuseeländischen Gesellschaft von außen. Ja, vielleicht mangelt es dem Buch – insbesondere auf der Nordinsel – tatsächlich an fundierten Beschreibungen, die den Leser anspornen sich einmal selbst auf die Reise zu begeben.

Kein gutes Buch, kein schlechtes Buch. Aber wie gesagt, vor dem Buch, hatte sich das Erdwesen noch niemals für Neuseeland überhaupt interessiert und schöne Straßen scheint es insbesondere auf der Südinsel zu geben. Vielleicht brauchen Reiseberichte im 21. Jahrhundert auch einfach einen gesellschaftlichen Aufhänger, selbst wenn es sich dabei nur um den ausgestorbenen und inzwischen veränderten Kiwi-Kerl handelt, denn eigentlich ist ja schon jede Ecke des Planeten bekannt, die man mit einem Motorrad erreichen überhaupt erreichen kann.

Über Erdwesen

Erdwesen ist ein Erdwesen! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Erdwesen schreibt aber auch noch in einer Reihe von anderen Foren und es gibt auch Foren, in denen sie sich so unbeliebt gemacht hat, dass sie dort heute besser nicht mehr schreibt.
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